Racheklingen
Nägel kratzten an seinem toten Auge. Er brüllte, trat, wand sich, versuchte mit dem linken Arm Schwung zu holen, aber auch den hatte jemand gepackt. Er ließ seinen Schild los, wurde zurückgezerrt, aus dem Sattel und zu Boden, zappelte im flachen Wasser, rollte sich zur Seite und dann wieder auf die Knie.
Neben ihm im Fluss stand ein junger Bursche in nietenbeschlagenem Lederwams, dem das nasse Haar ins Gesicht hing. Er starrte etwas an, das er in der Hand hielt, etwas Flaches und Glänzendes. Sah wie ein Auge aus. Die Emailschicht, die bis eben noch in Espes Augenhöhle gesessen hatte. Der Junge sah auf, und ihre Blicke trafen sich. Espe spürte etwas an seiner Seite, duckte sich, und Wind erfasste sein nasses Haar, als sein eigener Schild an seinem Kopf vorbeiflog. Er wirbelte herum, die Axt folgte ihm in einem weiten Bogen und schlug tief in irgendwelche Rippen; Blut spritzte hervor. Der Schwung drückte ihn zur Seite und riss ihn brüllend von den Beinen, und er schlug ein oder zwei Schritt entfernt in das aufspritzende Wasser.
Als er sich umdrehte, kam der Junge mit einem Messer auf ihn zu. Espe zuckte schnell zur Seite, konnte den Unterarm des Angreifers packen und festhalten. Sie kamen ins Stolpern, verhedderten sich und stürzten; kaltes Wasser umfing sie. Das Messer kratzte an Espes Schulter, aber er war viel größer, viel stärker und konnte sich nach oben wälzen. Sie rangen miteinander, verkrallten sich, schnaubten sich in die Gesichter. Er ließ den Schaft der Axt durch die Finger gleiten, bis er die Waffe direkt unter dem Blatt packte, und der Junge erwischte mit der freien Hand Espes Handgelenk, während ihm Wasser um den Kopf rauschte, aber er hatte nicht genug Kraft. Espe bleckte die Zähne und drehte die Axt, bis die schwere Klinge über den Hals seines Gegners rutschte.
»Nein«, hauchte der Junge.
Nein sagen konnte man vor der Schlacht. Espe drückte mit seinem ganzen Gewicht zu, keuchte, stöhnte. Die Augen des Jungen quollen vor, als das Metall langsam in seine Kehle biss, tiefer und tiefer, und die rote Wunde sich immer weiter und weiter öffnete. Blut quoll in klebrigem Schwall hervor, über Espes Arm, über sein Hemd, in den Fluss, von der Strömung weggewaschen. Der Junge zitterte kurz, den roten Mund weit geöffnet, dann erschlaffte er und starrte in den Himmel.
Espe richtete sich stolpernd auf. Sein zerfetztes Hemd behinderte ihn, schwer von Blut und Wasser, wie es war. Er riss es sich vom Körper, aber weil er die ganze Zeit den Schild so verkrampft festgehalten hatte, war seine Hand so ungeschickt, dass er sich dabei ein paar Brusthaare ausriss. Er sah sich wilden Blickes um, blinzelte in die gnadenlose Sonne. Männer und Pferde kämpften im schimmernden Fluss, verschwommen und unscharf. Er bückte sich und riss die Axt vom halb durchtrennten Hals des Jungen, und die Lederumwickelung des Griffs schmiegte sich in die Linien seiner Handfläche wie ein Schlüssel in das passende Schloss.
Er watete zu Fuß durchs Wasser, auf der Suche nach anderen. Auf der Suche nach Murcatto.
Das schwindelerregende Aufwallen von Kraft, das der Angriff ihr verliehen hatte, verebbte schnell. Monzas Kehle war wund vom Geschrei, ihre Beine brannten vom Antreiben ihres Pferdes. Die rechte Hand war ein verdrehter Knoten Schmerz an den Zügeln, ihr Schwertarm brannte von den Fingern bis zur Schulter, und das Blut pochte hinter ihren Augen. Sie fuhr herum, inzwischen unsicher, wo Osten und wo Westen war. Das spielte jetzt kaum noch eine Rolle.
Im Krieg, hieß es bei Verturio, gibt es keine geraden Linien.
In der Furt gab es gar keine Linien mehr, nur noch Reiter und Soldaten, die in hundert mörderische, sinnlose kleine Kämpfe verstrickt waren. Freund und Feind waren kaum voneinander zu unterscheiden, und da niemand so genau aufpasste, bestand zwischen beiden kaum noch ein Unterschied. Der Tod konnte aus jeder Richtung kommen.
Sie sah den Speer, aber zu spät. Ihr Pferd erschauerte, als die Spitze direkt neben ihrem Bein in seine Flanke fuhr. Der Kopf des Tieres fuhr herum, sie sah ein verdrehtes Auge und den Schaum, der sich an den gebleckten Zähnen zeigte. Monza krallte sich am Sattelknauf fest, als das Pferd zur Seite sank, sich den Speer noch weiter ins Fleisch rammte, und heißes Pferdeblut über ihr Bein floss. Mit einem hilflosen Schrei stürzte sie, die Füße noch in den Steigbügeln, der Säbel fiel ihr aus der Hand, als sie ins Leere griff. Wasser traf sie an der Seite, der Sattel
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