Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
der Hand. »Bitte, sprich nicht mehr von diesem tapferen Herzen. Sein Verlust ist immer noch ein schwerer Schlag für mich. Wie viele haben wir ausgezahlt?«
    Der Schreiber benetzte sich den Finger, blätterte ein paar knisternde Blätter in seinem dicken Hauptbuch um und begann, die Eintragungen zu zählen. »Eins, zwei, drei …«
    »Vierhundertvier«, sagte Freundlich.
    »Und wie viele zählen die Tausend Klingen?«
    Der Schreiber verzog das Gesicht. »Alle Helfer, Diener und Händler mit eingeschlossen?«
    »Ganz genau.«
    »Auch die Huren?«
    »Die zählen wir als Erstes, denn sie arbeiten vermutlich von allen in der ganzen verdammten Brigade am härtesten!«
    Der Schreiber schielte zum Himmel empor. »Äh …«
    »Zwölftausendachthundertneunzehn«, sagte Freundlich.
    Cosca starrte ihn an. »Ich habe schon öfter gehört, ein guter Feldwebel sei drei Generäle wert, aber du bist vielleicht sogar drei Dutzend wert, mein Freund! Aber dreizehntausend? Da sitzen wir morgen ja noch hier!«
    »Das ist durchaus wahrscheinlich«, brummte der Schreiber, der die Seite umblätterte. »Crapstanes Kompanie aus Andiches Regiment ist als Nächste dran. Also … aus dem Regiment … das früher von Andiche geführt wurde.«
    »Mäh.« Cosca schraubte die Kappe des kleinen Flachmanns ab, den ihm Morveer in Sipani zugeworfen hatte, setzte ihn an die Lippen, schüttelte ihn und stellte fest, dass das Fläschchen leer war. Er sah den kleinen, eingebeulten Metallbehälter missmutig an und erinnerte sich mit Unbehagen an die verächtliche Bemerkung des Giftmischers, niemand würde sich je wirklich ändern. Mit so viel Unbehagen, dass sein Verlangen nach einem Schnaps plötzlich noch größer wurde. »Eine kurze Pause, während ich kurz nachfüllen gehe. Crapstanes Kompanie soll sich schon mal aufstellen.« Er stand auf, verzog das Gesicht, während er seine schmerzenden Knie knirschend bewegte, und dann lächelte er plötzlich. Ein großer Mann kam stetigen Schrittes durch den Matsch, den Rauch, die Zelte und das Durcheinander ihres Lagers auf ihn zu.
    »Na, wenn das nicht Meister Espe ist, aus dem kalten und blutigen Norden!« Der Nordmann hatte es offenbar aufgegeben, sich etwas feiner zu kleiden; er trug eine nietenbewehrte Lederweste und ein grob gesponnenes Hemd, dessen Ärmel er bis zu den Ellenbogen aufgerollt hatte. Sein Haar, sauber geschnitten wie das eines musselianischen Stutzers, als er Cosca das erste Mal unter die Augen gekommen war, war wieder zu einer verfilzten, langen Matte gewachsen, sein kantiges Kinn von Stoppeln bedeckt, die schon auf halbem Weg zu einem richtigen Bart waren. Aber auch das konnte die Narben nicht verbergen, die seine linke Gesichtshälfte verunstalteten. Dazu war mehr nötig als ein wenig Haar. »Mein alter Gefährte vieler Abenteuer!« Oder Morde, wie es in diesem Fall wohl eher zutraf. »Du hast wahrlich blitzende Augen.« Das stimmte, denn auf dem hellen Metall in der leeren Augenhöhle des Nordmanns spiegelte sich die Mittagssonne beinahe schmerzhaft grell. »Du siehst gut aus, mein Freund!« Wobei er eigentlich eher wie ein verstümmelter Wilder wirkte.
    »Ein glückliches Gesicht zeigt ein glückliches Herz.« Der Nordmann lächelte schief, wobei sich das verbrannte Fleisch nur ein winziges Stück bewegte.
    »In der Tat. Wer zum Frühstück lächelt, der scheißt zu Mittag Glückseligkeit. Warst du in der Schlacht?«
    »Das war ich.«
    »Dachte ich mir. Du schienst mir nie ein Mann zu sein, der Angst davor hat, die Ärmel hochzukrempeln. Blutig, was?«
    »Das war es.«
    »Manche Männer erstarken allerdings durch Blutvergießen, oder? Ich vermute, dass du einige gekannt hast, bei denen das so war.«
    »Das habe ich.«
    »Und wo ist deine Dienstherrin, meine berüchtigte Schülerin, Nachfolgerin und Vorgängerin, Generalin Murcatto?«
    »Hinter dir«, ertönte eine scharfe Stimme.
    Er wirbelte herum. »Bei Gottes Zähnen, Frau, du kannst dich immer noch an einen Mann anschleichen, ohne dass er dich sieht!« Er tat so, als habe sie ihn sehr erschreckt, denn so konnte er die Gefühle verbergen, die stets in ihm aufwallten, wenn sie erschien, und die drohten, sich in der Rauheit und Rührung in seiner Stimme zu verraten. Sie hatte einen langen Kratzer auf einer Wange und ein paar Prellungen im Gesicht, sah sonst aber gut aus. Sehr gut. »Meine Freude, dich lebend zu sehen, kennt natürlich keine Grenzen.« Er zog den Hut, dessen Feder entschuldigend herabhing, und kniete sich vor ihr in den

Weitere Kostenlose Bücher