Racheklingen
Espe fehlte jede Spur, und sie konnte nicht sagen, was tatsächlich passiert war. Aber Monza beschäftigte etwas anderes.
Orso.
Ihr Kiefer schmerzte, aber sie biss die Zähne zusammen, schlurfte zur Tür gegenüber und stemmte sie auf. Einen düsteren Flur hinunter, während der Kampfeslärm stetig lauter wurde. Sie schob sich auf einen breiten Balkon. Über ihr erhob sich eine große Kuppel, die einen Himmel bei aufgehender Sonne und sieben geflügelte Frauen zeigte, die Schwerter schwangen. Aropellas großartiges Fresko der Schicksalsgöttinnen, die das Geschick der Menschen zur Erde brachten. Unter ihr schwangen sich zwei große Freitreppen nach oben, die aus drei verschiedenfarbigen Marmorsorten zusammengesetzt worden waren. Sie führten zu der Doppeltür, deren Intarsien aus seltenen Hölzern einen Löwenkopf zeigten. Dort, vor dieser Tür, hatte sie das letzte Mal neben Benna gestanden und ihm gesagt, dass sie ihn liebte.
Man konnte wohl sagen, dass die Dinge sich seitdem geändert hatten.
Auf dem runden Mosaikboden des Saales, auf den breiten Marmorstufen und auf der gegenüberliegenden Galerie tobte ein heftiger Kampf. Männer der Tausend Klingen standen Orsos Leibwächtern auf Leben und Tod gegenüber, dreimal zwanzig oder mehr, eine brodelnde, wilde Menge. Degen prallten auf Schilde, Streitkolben zerbeulten Rüstungen, Äxte hoben und senkten sich, Speere stachen und schlugen. Männer brüllten vor Wut, schrien erstickt vor Schmerz, kämpften und starben, gefällt, wo sie gerade standen. Die Söldner machte die Verlockung der Beute völlig wild, und die Verteidiger standen mit dem Rücken zur Wand. Erbarmen schien auf beiden Seiten knapp. Einige Männer in talinesischer Uniform knieten nicht weit von ihr entfernt auf dem kleinen Balkon und spannten Flachbogen. Als sich einer von ihnen erhob, um zu schießen, drang ihm selbst ein Pfeil in die Brust. Er stürzte, hustete, die Augen überrascht geweitet, und verspritzte Blut über eine hübsche Statue, die hinter ihm stand.
Schlage niemals deine eigenen Schlachten, hieß es bei Verturio, solange jemand anders bereit ist, sie für dich auszufechten. Monza verschmolz vorsichtig wieder mit den Schatten.
Das weiche Plopp, mit dem der Korken aus der Flasche fuhr, war immer noch Coscas liebstes Geräusch auf Erden. Er lehnte sich leicht über den Tisch und goss ein wenig vom sirupartigen Inhalt in Victus’ Glas.
»Danke«, brummte der. »Glaub ich jedenfalls.«
Gurkhisischer Traubengeist war nicht jedermanns Sache, um es einmal höflich auszudrücken. Cosca hatte vielleicht auch nicht direkt eine Vorliebe dafür entwickelt, aber zumindest gelernt, ihn ganz erträglich zu finden, als er damit beauftragt gewesen war, Dagoska zu verteidigen. Tatsächlich fand er alle Getränke, die Alkohol enthielten, irgendwie erträglich, und gurkhisischer Traubengeist enthielt davon ziemlich viel, war aber gleichzeitig nicht übertrieben teuer. Schon allein der Gedanke an den herrlich widerlichen Geschmack nach brennendem Erbrochenem ließ ihm das Wasser im Mund zusammenlaufen. Ein Schnaps, ein Schnaps, ein Schnaps.
Er schraubte sein eigenes Fläschchen auf, rutschte auf dem Stuhl des Generalhauptmanns herum und strich liebevoll über das abgenutzte Holz der einen Armlehne. »Nun?«
Victus’ dünnes Gesicht glühte vor Misstrauen und rief Cosca wieder einmal in Erinnerung, dass er noch nie einen Mann mit einem verschlageneren Blick gesehen hatte. Victus’ Augen glitten zu seinen Karten, zu dem Geld, das auf dem Tisch lag, dann wieder zu Cosca zurück. »In Ordnung. Wir verdoppeln.« Damit warf er einige Münzen auf den Tisch, mit jenem fröhlichen Geräusch, wie es aus irgendeinem Grund nur von harter Währung ausgeht. »Was hast du zu bieten, alter Mann?«
»Erde!« Cosca legte seine Karten zufrieden vor sich aus.
Victus schleuderte sein Blatt verärgert hin. »Verdammte Erde! Du hast immer das Glück eines Dämons.«
»Und du seine Treue.« Cosca zeigte die Zähne, als er die Münzen zu sich herüberschob. »Aber mach dir mal keine Sorgen, die Jungs werden uns demnächst einen ganzen Haufen mehr Silber bringen. Viertelregelung und so.«
»Wenn das so weitergeht, dann werde ich meinen Anteil schon verspielt haben, noch bevor sie hier aufkreuzen.«
»Das können wir zumindest mal hoffen.« Cosca nahm einen Schluck aus seinem Flachmann und verzog das Gesicht. Aus irgendeinem Grund schmeckte das Zeug noch sauerer als sonst. Er kräuselte die Lippen, lutschte an
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