Racheklingen
die vergoldeten Tapeten zeichnete. Die Fliegen wurden, als der Körper vorübersauste, von dem Windstoß mitgerissen und in wilden Spiralen durch die Luft gewirbelt. Das ohrenbetäubende Krachen, mit dem sein Schädel explodierte, vermischte sich mit dem Zischen des Blutstroms, der aus der eingedrückten Brust seines Freundes schoss und den Jungen bespritzte, der dem Geschehen mit weit aufgerissenen Augen zusah, während die Zeit wieder normal weiterfloss.
»Die Frau, die dafür sorgte, dass dein Freund sein Besteck verlor.« Schenkt schüttelte ein paar Blutstropfen von seiner Hand. »Murcatto?«
Der Junge nickte stumm.
»Wohin ist sie gegangen?«
Seine großen Augen glitten zur Tür auf der anderen Seite.
»Gut.« Schenkt wäre jetzt gern nett gewesen. Aber der Junge würde vielleicht davonlaufen und Männer zu Hilfe holen, und dann würde es nur weitere Verwicklungen geben. Manchmal musste man ein Leben opfern, um andere damit zu retten, und wenn solche Zeiten kamen, dann war niemandem mit Gefühlsduseligkeit geholfen. Eine der Lektionen seines alten Meisters, die Schenkt nie vergessen hatte. »Es tut mir leid.«
Mit einem scharfen Knacken versank sein Zeigefinger bis zu den Knöcheln in der Stirn des Jungen.
Sie prügelten sich durch die Küche und gaben sich alle Mühe, sich gegenseitig umzubringen. Espe hatte das nicht geplant, aber nun kochte sein Blut. Freundlich stand ihm verdammt noch mal im Weg, und da musste er weg, so einfach war das. Es war eine Frage des Stolzes geworden. Espe war besser bewaffnet, hatte die größere Reichweite und besaß einen Schild. Aber Freundlich war schlüpfrig wie ein Aal und geduldig wie der Winter. Zog sich zurück, wich aus, erzwang nichts, gab sich keine Blöße. Er hatte nur sein kleines Beil, aber Espe wusste, dass er damit allein schon genug Männer getötet hatte, und er hatte keine Lust, der nächste Name auf dieser langen Liste zu werden.
Sie verwickelten sich wieder ineinander, Freundlich entkam einem Axthieb und schoss nah an Espe heran, schlug mit dem Beil nach ihm. Espe sprang beiseite, wehrte mit dem Schild ab, schubste Freundlich stolpernd gegen einen Tisch, und Metall schepperte. Espe grinste, aber nur, bis er sah, dass dort lauter Messer lagen. Freundlich packte eine der Klingen und hob den Arm zum Wurf. Espe verschanzte sich hinter dem Schild, fühlte den Aufschlag, als das Messer sich ins Holz bohrte. Dann schielte er über den Rand und sah ein zweites auf sich zufliegen. Es prallte vom eisenverstärkten Rand ab und trudelte Espe ins Gesicht, versetzte ihm einen brennenden Kratzer auf der Wange. Freundlich riss das nächste Messer hoch.
Espe hatte keine Lust, sich ständig zu ducken und ein Übungsziel abzugeben. Mit lautem Gebrüll preschte er vor, den Schild vorangereckt. Freundlich sprang zurück, rollte sich über den Tisch, Espes Axt verfehlte ihn knapp, hinterließ eine breite Scharte im Holz und schleuderte die Messer in die Luft. Er setzte nach, solange der Sträfling noch strauchelte, drängte ihn mit dem Schildrand weg, schwang wild die Axt, und seine Haut prickelte. Der Schweiß rann ihm von der Stirn, sein Auge trat beinahe aus der Höhle, während er mit zusammengebissenen Zähnen knurrte. Teller zerbrachen, Töpfe flogen durch die Gegend, Flaschen zersprangen, Splitter flogen, ein Krug mit Mehl zerschellte und füllte die Luft mit blendendem Staub.
Espe hinterließ in der Küche eine Spur der Verwüstung, auf die selbst der Blutige Neuner stolz gewesen wäre, aber der Sträfling wich aus, sprang beiseite, schlug und hieb mit Messer und Beil, blieb aber stets außer Reichweite. Als sie einmal quer durch den langen Raum getanzt waren, hatte Espe bei all seiner Wut nichts weiter vorzuweisen als einen blutenden Schnitt am eigenen Arm und eine sich rötende Stelle an Freundlichs Wange, wo er ihn mit seinem Schild erwischt hatte.
Der Sträfling hatte einige Stufen der Treppe erklommen, die wieder aus dem Raum hinausführte, stand bereit und wartete, Messer und Beil lose an der Seite, ein leichter Schweißfilm über seinem flachen, groben Gesicht. Seine Haut war von einem Dutzend verschiedener kleiner Schnitte und Tritte sowie dem Sturz von Galerie und Treppe blutig und abgeschürft, das schon. Aber Espe hatte ihm noch keine einzige entscheidende Verletzung beigebracht. Er sah noch ganz und gar nicht so aus, als sei er am Ende.
»Komm her, du hinterlistiger Wichser!«, zischte Espe, dem der Arm von den vielen Axtschwüngen schon von
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