Racheklingen
was?«
»Noch mehr Rache.«
Espe nickte. »Dann bin ich wohl mit dabei, würde ich sagen. Was brauchst du jetzt?«
»Hilf Freundlich dabei, den Müll rauszubringen, und dann verlassen wir noch heute Nacht die Stadt. Hat keinen Zweck, weiter in Talins herumzuhängen.«
Espe sah zum Amboss und zog scharf die Luft ein. Dann nahm er das Messer, das sie ihm gegeben hatte, ging zu Freundlich und machte sich an seiner Seite über Gobbas Leiche her.
Monza sah auf ihre linke Hand und rieb ein paar Blutspritzer vom Handrücken. Ihre Finger bebten leicht. Weil sie gerade einen Mann getötet hatte, weil sie einen weiteren gerade nicht getötet hatte oder weil sie einfach einen Zug Spreu brauchte – sie wusste es nicht.
Vielleicht aus allen drei Gründen.
II
WESTPORT
»Menschen gewöhnen sich
an Gift in kleinen Dosen.«
VICTOR HUGO
Im ersten Jahr litten sie ständig Hunger, und Benna musste im Dorf betteln gehen, während Monza den Boden bestellte und die Wälder plünderte.
Im zweiten Jahr fiel die Ernte besser aus. Sie pflanzten auf einem Beet an der Scheune Wurzeln an und bekamen etwas Brot vom alten Müller Destort, als der Schnee hereinbrach und das Tal in einen Ort weißen Schweigens verwandelte.
Im dritten Jahr war das Wetter gut, und der Regen kam zur rechten Zeit. Monza fuhr auf dem oberen Feld eine gute Ernte ein. Eine so gute Ernte, wie selbst ihr Vater nie eine bessere gehabt hatte. Die Preise waren hoch, da es Ärger an den Grenzen gab. Sie würden Geld haben, sie konnten das Dach reparieren lassen, und Benna würde ein ordentliches Hemd bekommen. Monza sah dem Wind zu, wie er durch den Weizen wogte, und sie empfand Stolz darüber, etwas mit ihren eigenen Händen geschaffen zu haben, jenen Stolz, von dem ihr Vater immer gesprochen hatte.
Ein paar Tage, bevor das Korn gemäht werden musste, erwachte sie in der Dunkelheit und hörte Stimmen. Sie rüttelte Benna wach, der neben ihr schlief, und schob ihm die Hand über den Mund. Dann nahm sie den Degen ihres Vaters, drückte die Fensterläden auf, und zusammen stahlen sie sich aus dem Fenster in das Wäldchen, wo sie sich in den Brombeeren hinter einem Baumstamm versteckten.
Schwarze Gestalten waren vor dem Haus zu sehen, und Fackeln flackerten in der Dunkelheit.
»Wer ist das?«
»Pssst.«
Sie hörte, wie sie die Tür aufbrachen, durch das Haus und dann durch die Scheune trampelten.
»Was wollen sie?«
»Pssst.«
Sie verteilten sich auf dem Feld und senkten ihre Fackeln, und das Feuer fraß sich durch den Weizen, bis er in hellen Flammen stand. Sie hörte jemanden jubeln. Ein anderer lachte.
Benna sah mit starrem Blick zum Feld, das Gesicht flackernd orange beleuchtet, und Tränenspuren glänzten auf seinen Wangen. »Aber wieso sollten sie … warum haben sie …«
»Pssst.«
Monza sah zu, wie der Rauch in die klare Nacht aufstieg. Ihre ganze Arbeit. Ihr ganzer Schweiß, ihre ganze Mühe. Sie blieb noch lange draußen, nachdem die Männer weg waren, und sah dem Korn zu, wie es brannte.
Am Morgen kamen weitere Männer. Leute aus dem Tal, mit harten Gesichtern und voller Rachedurst, angeführt vom alten Destort, der einen Säbel trug und von seinen drei Söhnen begleitet wurde.
»Dann sind sie also auch hier durchgekommen, was? Ihr habt Glück, dass ihr noch lebt. Crevi und seine Frau von weiter oben im Tal haben sie umgebracht. Auch ihren Sohn.«
»Was wollt ihr tun?«
»Wir werden sie aufspüren, und dann werden wir sie hängen.«
»Wir kommen mit.«
»Ihr solltet vielleicht besser …«
»Wir kommen mit.«
Destort war nicht immer ein Müller gewesen, und er verstand sein Geschäft. Sie holten die Plünderer in der nächsten Nacht ein, die sich auf dem Rückweg nach Süden befanden und sich um einige Feuer im Wald geschart hatten, ohne eine ordentliche Wache aufzustellen. Sie waren eher gemeine Diebe als Soldaten. Auch Bauern waren unter ihnen, eben nur von der anderen Seite der Grenze, die beschlossen hatten, sich für ein paar erfundene Missetaten zu rächen, während ihre Herren ihre eigenen Streitigkeiten austrugen.
»Jeder, der nicht zum Töten bereit ist, bleibt besser hier.« Destort zog seinen Säbel, und die anderen hielten ihre Spaltbeile, Äxte und Behelfsspeere bereit.
»Warte!«, zischte Benna und klammerte sich an Monzas Arm.
»Nein.«
Sie lief leise und geduckt dahin, den Degen ihres Vaters in der Hand, und der Feuerschein tanzte durch die schwarzen Bäume. Sie hörte einen Schrei, das Aufeinanderprallen von
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