Racheklingen
würde ihre Nerven beruhigen. Sie holte eine kleine Börse hervor, die mit den fünfzig Waag, und warf sie Espe zu.
Die Münzen klingelten, als er den Beutel fing. »Das war’s?«
»Das war’s.«
»In Ordnung.« Er hielt inne, als wollte er noch etwas sagen, wüsste aber nicht mehr, was. »Tut mir leid, das mit deinem Bruder.«
Sie sah im Lampenschein in sein Gesicht. Sah ihn richtig an und versuchte, sich ein Bild von ihm zu machen. Er wusste so gut wie gar nichts über sie und Orso. Wenn man ihn zum ersten Mal sah, konnte man den Eindruck bekommen, dass er gar nichts kapierte. Aber er verstand zu kämpfen, das hatte sie gesehen. Er war ganz allein in Sajaams Höhle gegangen, und dazu brauchte man Mut. Ein Mann mit Mut, vielleicht auch mit Moral. Ein Mann mit Stolz. Das bedeutete, dass er auch eine gewisse Loyalität zeigen würde, wenn sie es richtig anstellte. Und loyale Männer waren in Styrien ein rares Gut.
Sie hatte nie viel Zeit allein verbracht. Benna war stets an ihrer Seite gewesen. Oder hinter ihr, im Zweifelsfall. »Es tut dir leid.«
»So ist es. Ich hatte einen Bruder.« Er wandte sich zur Tür.
»Brauchst du noch mehr Arbeit?« Sie hielt ihren Blick fest in seinem verankert, als sie auf ihn zuging, und während sie das tat, glitt ihre gute Hand hinter ihren Rücken und fand den Griff des Messers dort. Er kannte ihren Namen, Orsos und Sajaams, und das genügte, um ihnen allen zehnmal den Tod zu bringen. Auf die eine oder andere Weise musste er bei ihr bleiben.
»Noch mehr Arbeit wie das da?« Er sah mit gerunzelter Stirn auf das blutbefleckte Sägemehl unter ihren Stiefeln.
»Töten. Du kannst es ruhig aussprechen.« Sie dachte darüber nach, ob sie ihn in die Brust stechen sollte oder von unten in den Kiefer, oder ob sie besser abwartete, bis er sich abwandte, und ihn von hinten erledigte. »Was hast du denn gedacht, worum es sich handelt? Ums Ziegenmelken?«
Er schüttelte den Kopf, und das lange Haar umspielte sein Gesicht. »Es hört sich für dich vielleicht dumm an, aber ich kam hierher, um ein besserer Mensch zu werden. Du hast sicherlich deine Gründe, aber für mich fühlt es sich nach einem verdammt großen Schritt in die falsche Richtung an.«
»Sechs weitere Männer.«
»Nein. Nein. Ich bin raus.« Als wollte er sich selbst überzeugen. »Mir ist egal, wie viel du …«
»Fünfzigtausend Waag.«
Er hatte schon den Mund geöffnet, um wieder Nein zu sagen, aber das Wort war nicht zu hören. Er starrte sie an. Erst schockiert, dann nachdenklich. Versuchte wohl sich vorzustellen, wie viel Geld das wirklich war. Was er sich davon kaufen konnte. Monza hatte immer ein gutes Händchen dafür gehabt, den Preis eines Mannes einzuschätzen, jeder Mann hatte seinen Preis.
Sie tat einen Schritt auf ihn zu und sah in sein Gesicht. »Du bist ein guter Mann, das sehe ich, und auch ein harter Mann. Genau so einen brauche ich.« Ihr Blick glitt kurz zu seinem Mund, dann wieder zu seinen Augen hinauf. »Hilf mir. Ich brauche deine Hilfe, und du brauchst mein Geld. Fünfzigtausend Waag. Es wird viel leichter sein, ein besserer Mensch zu werden, wenn du so viel Geld hinter dir weißt. Hilf mir. Ich vermute, damit kannst du dir den halben Norden kaufen. Dich zum König machen oder so.«
»Wer sagt denn, dass ich König sein will?«
»Von mir aus auch Königin, wenn dir das mehr liegt. Ich kann dir aber sagen, was du dann nicht mehr tun wirst.« Sie beugte sich zu ihm, so nahe, dass sie beinahe gegen seinen Hals atmete. »Um Arbeit betteln. Wenn du mich fragst, dann ist es nicht richtig, dass sich ein stolzer Mann wie du in einer solchen Lage befindet. Aber egal.« Nun sah sie weg. »Ich kann dich nicht zwingen.«
Er stand da und prüfte das Gewicht der Geldbörse. Aber sie hatte die Hand bereits vom Messer genommen. Sie kannte seine Antwort schon.
Geld ist für jeden Mann etwas anderes,
hieß es bei Bialoveld,
aber immer etwas Gutes.
Als er aufsah, war sein Gesicht hart geworden. »Wen töten wir?«
Beinahe hätte sie den Kopf zur Seite gewandt und gegrinst, um zu sehen, dass Benna ihren listigen Blick erwiderte.
Wir haben wieder gewonnen.
Aber Benna war tot, und Monzas Gedanken wandten sich dem nächsten Mann zu, der ihm folgen sollte. »Einen Bankier.«
»Einen was?«
»Einen Mann, der Geld zählt.«
»Er verdient Geld mit Geldzählen?«
»Ganz genau.«
»Komische Sitten habt ihr hier in Styrien. Was hat er angestellt?«
»Er hat meinen Bruder umgebracht.«
»Also noch mehr Rache,
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