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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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und noch ein Dutzend mehr, die er nicht einordnen konnte, und sie ließen ihn den Atem anhalten und verursachten ein flaues Gefühl in seinem Magen. Aus dem Nichts hielt ein Junge auf einem vorüberfahrenden Wagen einen Weidenkorb vor Espes Gesicht, und der kleine Affe darin fauchte und spuckte ihn an, so dass er vor Überraschung beinahe aus dem Sattel gefallen wäre. Rufe in einem Dutzend verschiedener Sprachen brandeten an seine Ohren. Dann übertönte sie allmählich eine Art Singsang, lauter und lauter, seltsam und doch schön, der die Härchen auf seinen Armen dazu brachte, sich aufzustellen.
    Ein Gebäude mit einer großen Kuppel beherrschte eine Seite eines Platzes, sechs hohe Türmchen ragten von der vorderen Mauer auf, und goldene Spitzen schimmerten auf den Dächern. Von dort erscholl der Gesang. Hunderte von Stimmen, hohe und tiefe, vermischten sich zu einer.
    »Es ist ein Tempel.« Murcatto hatte sich zurückfallen lassen, bis sie neben ihm ritt, die Kapuze noch immer über dem Kopf, so dass von ihrem Gesicht wenig mehr sichtbar war als ihr harter Blick.
    Wenn Espe ganz ehrlich war, dann hatte er mehr als nur ein bisschen Angst vor ihr. Es war schon schlimm genug, dass er Zeuge geworden war, wie sie einen Mann mit einem Hammer totschlug und dabei so aussah, als ob sie es richtig genoss. Und dann hatte er noch dieses komische Gefühl gehabt, als sie miteinander handelten, als ob sie kurz davor war, ihn zu erstechen. Dann war da diese Hand, die sie stets unter einem Handschuh versteckt hielt. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals zuvor Angst vor einer Frau gehabt zu haben, und das machte ihn gleichzeitig beschämt und nervös. Allerdings konnte er auch kaum verhehlen, dass er, mal abgesehen von dem Handschuh und dem Hammer und dem kribbligen Gefühl von Gefahr, durchaus fand, dass sie ziemlich gut aussah. Sie gefiel ihm sogar sehr. Er war sich nicht ganz sicher, ob er das Gefährliche an ihr nicht sogar ein bisschen aufregender fand, als für ihn gesund war. All das führte dazu, dass er nie wusste, was er in ihrer Gegenwart als Nächstes sagen sollte.
    »Tempel?«
    »Wo die Südländer zu Gott beten.«
    »Gott, aha?« Espes Nacken schmerzte, als er mit zusammengekniffenen Augen zu den Türmchen emporblickte, die höher aufragten als die höchsten Bäume in dem Tal, in dem er geboren worden war. Er hatte schon davon gehört, dass es im Süden Leute gab, die glaubten, dass ein Mann im Himmel wohne. Ein Mann, der die ganze Welt gemacht hatte und alles sah. Es war ihm immer ziemlich verrückt vorgekommen, aber nun, da er das hier sah, glaubte Espe beinahe selbst daran. »Wunderschön.«
    »Vor ungefähr hundert Jahren, als die Gurkhisen Dawah eroberten, flohen viele Südländer vor ihnen. Manche kamen übers Meer und ließen sich hier nieder, und sie errichteten Tempel zum Dank für ihre Errettung. Westport ist beinahe so sehr ein Teil des Südens, wie es zu Styrien gehört. Aber dann ist es schließlich auch Teil der Union, da die Ratsherren sich irgendwann für eine Seite entscheiden mussten, und sie haben dem Hochkönig den Sieg über die Gurkhisen gebracht. Sie nennen diese Stadt den Kreuzweg der Welt. Jedenfalls alle, die sie nicht bloß ein Lügennest nennen. Es gibt hier Menschen von den Tausendinseln, aus Suljuk und Sikkur, aus Thond und dem Alten Kaiserreich. Sogar Nordmänner.«
    »Ach du meine Güte, bloß diese blöden Hunde nicht.«
    »Allesamt Wilde. Ich habe gehört, dass sich manche von ihnen das Haar lang wachsen lassen wie Weiber. Aber hier nehmen sie jeden.« Ihr behandschuhter Finger deutete auf eine lange Reihe von Männern, die auf der anderen Seite des Platzes auf kleinen Plattformen standen. Eine verdammt komische Truppe, selbst für diese komische Stadt. Alte und Junge, Große und Kleine, Dicke und Dünne, einige, die seltsame Gewänder oder Kopfbedeckungen trugen, manche halbnackt und bemalt, und einer war dabei, der sich Knochen durch die Gesichtshaut gestochen hatte. Hinter einigen waren Zeichen in den verschiedensten Sprachen zu sehen, und viele trugen Perlen oder Kugeln. Die Männer tanzten und alberten herum, warfen die Arme in die Höhe, starrten zum Himmel hinauf, fielen auf die Knie, weinten, lachten, zürnten, sangen, kreischten, bettelten, und sie überschrien sich in mehr Sprachen, als Espe vermutet hatte, dass es überhaupt gab.
    »Was, zur Hölle, sind denn das für Kerle?«, brummte er.
    »Heilige Männer. Oder Verrückte, je nachdem, wen man fragt. Unten in

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