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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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noch immer einen gewissen Stolz, und das Gekicher dieses Dummschwätzers begann langsam an ihm zu nagen. Er hätte ihn gern einfach mit seiner Axt vom Karren gehauen. Aber er versuchte, jetzt andere Wege zu beschreiten, und daher beugte er sich lediglich vor und sagte freundlich, klar und deutlich auf Nordisch: »Ich glaube, du hast den Kopf voller Scheiße, und das wundert nicht weiter, weil dein Gesicht wie ein Arsch aussieht. Ihr kleinen Männer seid doch immer gleich. Ihr versucht dauernd zu beweisen, wie schlau ihr seid, damit ihr auf irgendwas stolz sein könnt. Aber ganz gleich, wie sehr du über mich lachst, ich habe schon gewonnen. Du wirst nie ein großer Kerl sein.« Und dann grinste er über das ganze Gesicht. »Es wird immer ein Traum für dich bleiben, in einem überfüllten Raum über die anderen hinwegsehen zu können.«
    Morveer runzelte die Stirn. »Und was sollte das jetzt heißen?«
    »Du bist doch der Wissenschaftler. Finde es raus.«
    Day prustete wieder vor Lachen, und Morveer warf ihr einen bösen Blick zu. Sie lächelte allerdings immer noch, als sie den Apfelrest bis auf die Kerne abnagte und ihn dann wegwarf. Espe ließ sich zurückfallen und sah, wie die nackten Felder an ihm vorüberglitten, die gepflügte Erde noch halb erstarrt vom morgendlichen Frost. Es ließ ihn an zu Hause denken, und er stieß einen Seufzer aus, der in den grauen Himmel stieg. Diejenigen, mit denen sich Espe in seinem Leben angefreundet hatte, waren alle Kämpfer gewesen. Carls und Namhafte Männer, Kameraden im Kampf, die meisten von ihnen längst wieder zu Schlamm geworden, auf die eine oder die andere Art. Er vermutete, dass Freundlich wohl derjenige war, der hier im tiefsten Styrien am besten in dieses Muster passte, und daher gab er seinem Pferd einen kleinen Stoß in die Flanken und schloss zu dem Sträfling auf.
    »He.« Freundlich sagte kein Wort. Er bewegte nicht einmal den Kopf, um anzuzeigen, dass er ihn gehört hatte. Schweigen breitete sich aus. Angesichts dieser Steinmauer von Gesicht konnte man sich schwer vorstellen, dass der Sträfling eines Tages ein Busenfreund werden würde, mit dem man über gemeinsame Witze lachte. Aber ein Mann brauchte ein wenig Hoffnung, um sich daran festhalten zu können, oder nicht? »Du warst mal Soldat, oder?«
    Freundlich schüttelte den Kopf.
    »Du hast in Schlachten gekämpft?«
    Wieder das Kopfschütteln.
    Espe mühte sich weiter voran, als hätte Freundlich Ja gesagt.
    Es blieb ihm auch kaum etwas anderes übrig. »Ich war bei einigen dabei. Hab im Nebel mit Bethods Carls nördlich der Cumnur einen Ausfall angeführt. Hab dann mit Rudd Dreibaum bei Dunbrec die Stellung gehalten. Und hab sieben Tage in den Bergen mit dem Hundsmann gekämpft. Sieben verdammt verzweifelte Tage, kann ich dir sagen.«
    »Sieben?«, fragte Freundlich, dessen schwere Brauen sich nun interessiert hoben.
    »Ja«, seufzte Espe, »sieben.« Die Namen jener Männer und die Orte bedeuteten hier unten niemandem etwas. Er betrachtete einige Planwagen, die ihnen entgegenkamen. Männer mit Stahlhelmen und Flachbogen in den Händen sahen ihn von ihren Sitzen aus grimmig an. »Wo hast du denn dann kämpfen gelernt?«, fragte er, wobei der Hauch von Hoffnung, diesmal ein anständiges Gespräch anzufangen, schnell verflog.
    »In der Sicherheit.«
    »Hä?«
    »Wo sie dich hinstecken, wenn sie dich schnappen, weil du was angestellt hast.«
    »Wieso sollte man dich danach in Sicherheit bringen wollen?«
    »Sie nennen es nicht die Sicherheit, weil du da drin sicher wärst. Sie nennen es die Sicherheit, weil alle anderen sicher vor dir sind. Sie zählen die Tage, die Monate und Jahre, die sie dich dort behalten wollen. Dann schließen sie dich ein, tief unten, wo das Licht nicht hinkommt, bis die Tage, Monate und Jahre alle vorbeirauschen und die Zahlen alle bis zum Nichts hinuntergezählt sind. Dann sagen sie Danke und lassen dich frei.«
    Das erschien Espe eine barbarische Vorgehensweise. »Wenn du im Norden etwas verbrochen hast, dann musst du eine Sühnezahlung leisten, es wieder geraderücken. Oder aber der Häuptling beschließt, dass du gehängt wirst. Vielleicht ritzt man dir auch das Blutkreuz ein, wenn du gemordet hast. Einen Mann in einem Loch einsperren? Das ist doch auch ein Verbrechen!«
    Freundlich zuckte die Achseln. »Sie haben Regeln dort, die ihren Sinn haben. Es gibt die rechte Zeit für jede Sache. Die rechten Zahlen auf der großen Uhr. Nicht wie hier draußen.«
    »Joh. Stimmt.

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