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Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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Knoten.
    »Sind Sie ganz sicher, was diesen Knoten angeht?«, fragte Morveer. »Im Plan ist ein freier Fall aus großer Höhe nicht vorgesehen.«
    »Achtundzwanzig Schritt«, sagte Freundlich.
    »Was?«
    »Die große Höhe.«
    Eine kurze Pause folgte. »Das ist nicht besonders hilfreich.
    Eine straffe schwarze Linie zwischen zwei Gebäuden. Freundlich wusste, dass sie da war, und dennoch konnte er sie in der Dunkelheit kaum ausmachen.
    Day deutete darauf, und der Wind fuhr in ihre Locken. »Nach Ihnen.«
     
    Morveer mühte sich schwer atmend über die Brüstung. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, der Ausflug über das Seil war in keiner Hinsicht angenehm gewesen. Ein kühler Wind war aufgekommen, als er die Hälfte der Strecke bewältigt hatte, und hatte sein Herz bis zum Hals schlagen lassen. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, als er beim berüchtigten Moumah-yin-Bek in die Lehre gegangen war, da hatte er solche akrobatischen Einlagen mit katzenhafter Geschmeidigkeit gemeistert, aber er vermutete, dass diese Fähigkeiten ebenso geschwunden waren wie sein einstmals volles Haar. Er hielt kurz inne, um sich zu sammeln, wischte sich den Schweiß von der Stirn und merkte dann, dass Espe dasaß und ihn angrinste.
    »Gibt es hier irgendwas zu lachen?«, verlangte Morveer zu wissen.
    »Hängt wahrscheinlich davon ab, was man witzig findet, würd ich mal sagen. Wie lange wirst du da drin sein?«
    »Genau so lange, wie nötig ist.«
    »Dann sieh mal zu, dass du ein bisschen schneller bist als eben übers Seil. Sonst kletterst du noch da drin rum, wenn sie morgen früh den Laden wieder aufmachen.« Der Nordmann lächelte immer noch, als er sich über die Brüstung schwang und sich über das Seil zurückhangelte, wobei er sich trotz seines massigen Körpers schnell und grazil bewegte.
    »Wenn es einen Gott gibt, dann hat er mich durch meine Bekanntschaften verflucht.« Morveer gab sich kurz dem Gedanken hin, den Knoten durchzuschlagen, während der Wilde noch am Seil hing, doch dann kroch er über einen engen, bleiernen Wasserablauf zwischen den sanft geneigten Schieferplatten auf die Mitte des Gebäudes zu. Das große Glasdach schimmerte vor ihm, und schwaches Licht brach sich auf vielen Tausend Glasscheiben. Freundlich hockte daneben und wickelte bereits ein zweites Seil von seiner Leibesmitte.
    »Ah, das moderne Zeitalter.« Morveer kniete neben Day und drückte seine Hände sanft auf die Glasfläche. »Was sie sich wohl als Nächstes ausdenken werden?«
    »Ich schätze mich glücklich, in derart aufregenden Zeiten leben zu dürfen.«
    »Das sollten wir alle, meine Liebe.« Morveer spähte vorsichtig in das Innere der Bank. »Das sollten wir
alle
.« Der Flur war schwach erleuchtet. Nur eine Lampe brannte an jedem Ende, ließ die vergoldeten Rahmen der großen Gemälde leicht schimmern, verjagte aber nicht die Schatten aus den Türfüllungen. »Banken«, hauchte er, und der Geist eines Lächelns zog über sein Gesicht, »versuchen immer zu sparen.«
    Er zog seine Glaswerkzeuge hervor und begann, das Blei mit Zangen aufzudrücken, sodass er jedes Glasstück mit ein paar noch daran klebenden Kittkrümeln herausheben konnte. Seine Fingerfertigkeit war trotz seiner Jahre nicht geringer geworden, und er brauchte nur kurze Zeit, um neun Scheiben herauszulösen, das Bleigitter mit einer Zange durchzuschneiden und es zurückzubiegen, bis ein rautenförmiges Loch vor ihm lag, das für seine Zwecke genügte.
    »Genau zur richtigen Zeit«, murmelte er. Das Licht der Laterne des Wächters kroch die Holzverkleidung der Wände entlang und warf einen Hauch von Dämmerlicht über die dunklen Ölgemälde. Die Schritte des Mannes hallten, als er unter ihnen vorüberging, und er gähnte laut, während sich sein langer Schatten über die Marmorfliesen streckte. Morveer hauchte einen kleinen Luftstoß in sein Blasrohr.
    »Gah!« Der Wächter schlug sich mit der Hand auf den Kopf, und Morveer zuckte schnell vom Fenster zurück. Unten waren Schritte zu hören, ein wenig Unruhe, ein Gurgeln, dann der laute Aufschlag eines fallenden Körpers. Als Morveer wieder durch die Öffnung schielte, war der Wächter deutlich zu sehen, er lag ausgestreckt auf dem Rücken, die noch brennende Lampe neben seiner ausgestreckten Hand.
    »Hervorragend«, hauchte Day.
    »Natürlich.«
    »Egal, wie oft wir über Wissenschaft sprechen, es erscheint immer noch wie Zauberei.«
    »Wir sind, so könnte man sagen, die Zauberer des modernen Zeitalters. Das Seil, wenn ich

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