Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Racheklingen

Racheklingen

Titel: Racheklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
Vom Netzwerk:
»Niemand. Viel zu glatt und viel zu steil. Und dann müssen wir uns noch über die Stahlspitzen Gedanken machen.«
    »Da stimme ich Ihnen
vollständig
zu.«
    »Also doch vom Innern der Bank nach oben.«
    »Unmöglich. Meiner Ansicht nach
völlig
unmöglich. Wir müssen außen an der Mauer hinauf und dann über die großen Fenster im Dach eindringen. Zumindest ist diese Straße während der Dunkelheit völlig verlassen. Das kommt uns schon einmal zugute.«
    »Wie sieht es mit den anderen Seiten des Gebäudes aus?«
    »Die Nordseite ist vergleichsweise belebter und besser erleuchtet. Im Osten befindet sich der Haupteingang, vor dem zusätzlich die ganze Nacht über vier Wachen stehen. Der Süden gleicht dieser Seite hier, bietet aber nicht den Vorteil, dass wir Zugang zu einem Dach auf der anderen Straßenseite haben. Nein. Diese Seite hier ist unsere
einzige
Möglichkeit.«
    Freundlich sah das schwache Flackern eines Lichts unten in der Gasse. Die nächste Patrouille, zweimal zwei Wächter und noch einmal zweimal zwei Wächter, trabte auf stetigem Kurs um die Bank herum.
    »Die ganze Nacht über machen die so weiter?«
    »Es gibt noch zwei weitere Vierergrüppchen, um sie abzulösen. Sie halten ununterbrochen Wache bis zum Morgengrauen.
    »Zweihunderteinundneunzig … zweihundertzweiundneunzig … und hier kommen die Nächsten.« Day schnalzte mit der Zunge. »Ungefähr dreihundert, würde ich sagen.«
    »Dreihundert«, zischte Morveer, und Freundlich sah, dass er in der Dunkelheit den Kopf schüttelte. »Das ist nicht genug Zeit.«
    »Und nun?«, fragte Murcatto kurz angebunden.
    Freundlich nahm die Würfel wieder auf und fühlte die vertrauten Kanten, die sich in seine Handfläche drückten. Ihm war ziemlich egal, wie sie in diese Bank hineinkamen, sogar, ob ihnen das überhaupt je gelingen würde. Seine Hoffnungen konzentrierten sich vor allem darauf, dass Day wieder zu zählen begann.
    »Es muss doch einen Weg geben … es
muss
einfach –«
    »Ich schaffe das.« Sie alle blickten sich um. Espe stand an die Brüstung gelehnt da und ließ die weißen Hände baumeln.
    »Du?«, fragte Morveer abfällig. »Wie das denn?«
    Freundlich konnte gerade eben das Grinsen des Nordmanns in der Dunkelheit ausmachen. »Zauberei.«

PLAN UND ZUFALL
    Die Wächter stapften brummend die Straße entlang. Sie waren zu viert, und auf ihrem Brustpanzer, den Stahlhelmen und den Klingen der Hellebarden spiegelte sich das Licht der schwankenden Laternen. Espe drückte sich weiter in den Hauseingang, als sie vorüberpolterten, wartete einen zermarternden Moment, dann schlich er über die Straße und in den Schatten hinter dem Pfeiler, den er sich ausgesucht hatte. Dort fing er an zu zählen. Dreihundert ungefähr, um es bis ganz nach oben und auf das Dach zu schaffen. Er sah hoch. Es erschien ihm ein verdammt langer Weg. Wieso, zur Hölle, hatte er das vorgeschlagen? Damit diesem Idioten Morveer das Grinsen endlich gefror und damit er Murcatto beweisen konnte, dass er
sein
Geld wert war?
    »Immer bin ich mir selbst der größte Feind«, raunte er. Tatsache war, er hatte einfach zu viel Stolz. Das zum einen, zum anderen eine fürchterliche Schwäche für schöne Frauen. Wer hätte das gedacht?
    Das Seil, das er nun hervorzog, war zwei Schritte lang und lief an einem Ende in einer Schlaufe aus, am anderen war ein Haken befestigt. Er warf einen Blick auf die Fenster der Häuser gegenüber. Bei den meisten hatte man gegen die Nachtkälte schon die Fensterläden geschlossen, aber in einigen wenigen brannte noch Licht. Er fragte sich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass jemand gerade dann nach draußen blickte, wenn er dabei war, die Fassade einer Bank emporzuklimmen. Höher, als ihm lieb war, so viel war sicher.
    »Verdammt noch mal selbst der größte Feind.« Er machte sich bereit, auf den Sockel des Pfeilers zu steigen.
    »Irgendwo hier.«
    »Wo, du Idiot?«
    Espe erstarrte, und das Seil hing schlaff in seinen Händen, jetzt ertönten Schritte, und eine Rüstung klapperte. Die verdammten Wächter kamen zurück. Das hatten sie während der letzten fünfzig Runden, die sie um diesen Bau gedreht hatten, nicht ein einziges Mal getan. Bei seinem elenden Gerede über Wissenschaft hatte der blöde Giftmischer die ganze Sache versaut, und jetzt war es Espe, dem deswegen der kalte Wind um die Nüsse pfiff. Er drückte sich tiefer in die Schatten, fühlte, wie der große Flachbogen auf seinem Rücken gegen Stein schrammte. Wie sollte er das

Weitere Kostenlose Bücher