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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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zögerte. Wusste nicht genau, wie sie ihre widersprüchlichen Gefühle der letzten Tage und Wochen in Worte fassen sollte. »Weißt du, das ist wie so ein Druck. Manchmal sehne ich mich so nach Rio, dass ich denke, mir platzt der Kopf. Gleich zerspringt alles in Scherben. Eklig ist das. Ich würde am liebsten mit dem Hirn gegen die Wand donnern, damit es aufhört. Damit ich spüre, ich bin noch da. Bin noch ich selbst. Pervers, oder?«
    Carina strich sanft über ihren Unterarm. »Ich kenn das gut, das Gefühl. Ich glaub, das ist normal. Sonst wärst du ja wie ein Zombie, wenn du nichts fühlen würdest.«
    Flora stand auf und stakste mit steifen Beinen durch die Küche, ließ die Arme weit vom Körper baumeln und setzte einen starren Blick auf.
    »Isch bin in Trance – isch bin von die Geist besessen«, stieß sie stakkatohaft hervor und tat so, als donnere sie gegen die Kühlschranktür. Carina fing an zu kichern.
    »Noch ein Nutellabrot?«, fragte Flora, nun wieder ganz sie selbst, und die Mädchen brauchten einige Zeit, bis sie sich von ihrem Lachanfall erholt hatten.
    Als Flora am Montag in die Schule kam, spähte sie vorsichtig unter ihre Bank. Es lag nichts darunter. Nur ein kleiner weißer, zerknüllter Zettel. Flora atmete auf und holte das Stück Papier hervor. Sie wollte es schon fortwerfen, bemerkte aber, dass etwas darauf geschrieben stand. Sorgfältig strich sie den Zettel glatt und las die etwas krakelige Schrift. »Carina verbreitet diese Gerüchte über dich«, stand darauf. Nichts weiter. Flora erschauerte. Schon wieder so eine Gemeinheit! Irgendwer wollte nun auch noch ihre Freundschaft zu Carina zerstören. Sie zerknüllte das Papier so fest, dass sich die eigenen Fingernägel dabei in ihre Handfläche bohrten. Flora schaute sich suchend um. Sie konnte ihre Freundin nicht entdecken. Aber sahen nicht alle Klassenkameraden angeekelt zu ihr her? Als sei sie schon wieder mit Blut besudelt? Als sei sie doch die Hexe, die alle verzaubern wollte? Die Tiere tötete und sich in deren Blut aalte? Flora beugte den Kopf und ließ ihre langen Haare vors Gesicht fallen. Wenn ich keinen sehe, sieht mich keiner.
    Nach der Stunde sprach sie auch noch Edinger an. Er habe von Frau Vogt gehört, was vorgefallen sei, und es täte ihm sehr leid. Er starrte Flora so unverhohlen an, dass es ihr unangenehm war. Sie konnte ihm nicht in die Augen schauen, sie fühlte sich von seinen Blicken geradezu entkleidet. Sie stammelte nur ein »Schon okay« und wollte gehen.
    »Flora«, rief er ihr nach. »Mir hat übrigens Ihre Leistung in der Theater-AG letzte Woche sehr gut gefallen. Ich hoffe, Sie bleiben bei uns? Wenn Sie auch eine Szene schreiben wollen – nur zu!« Er lächelte, was selten vorkam, aber sie ließ seine Aufmunterung abprallen.
    »Mal sehen«, sagte sie nur. »Kann ich jetzt gehen?«
    »Natürlich«, sagte er und sie spürte seinen Blick noch immer im Rücken, als sie zur Tür ging.
    Carina war den ganzen Tag nicht in der Schule. Sie war am Sonntagabend in ihre eigene Wohnung zurückgekehrt, da ihre Mutter am Montag aus dem Krankenhaus nach Hause kommen sollte.
    Flora traf sie erst am späten Nachmittag, als sie das erste Mal zum Volleyballtraining ging. Sie hatte nicht wirklich Lust dazu, aber sie wollte Carina sehen, musste ihr unbedingt sagen, welche Gemeinheiten sich ein Unbekannter schon wieder hatte einfallen lassen.
    »Und? Ist deine Mutter wieder da?«, fragte Flora. Carina wirkte bedrückt. Sie nickte und sagte nichts weiter. Flora ließ sie in Ruhe und überlegte, wie sie ihrer Freundin am besten von dem üblen Zettel erzählen konnte. Hoffentlich würde sie das nicht noch mehr runterziehen. Schließlich zog sie das Papier aus der Hosentasche und gab es ihr.
    »Schau mal, das lag unter meiner Bank.«
    Carina las hastig und sah Flora entsetzt an. »Das glaubst du doch nicht etwa?« Sie schrie fast.
    »Bist du verrückt?« Flora schnappte nach Luft. »Natürlich nicht. Das ist schon wieder so eine totale Gemeinheit.« Carina, die gerade ihre Trainingshose hatte anziehen wollen, ließ sich auf die Bank der Umkleidekabine sinken.
    »Sie wollen uns stigmatisieren, weißt du. Mobben. Fertigmachen. Es ist ganz wichtig, dass wir zusammenhalten. Das wir uns alles sagen. Dann kann uns keiner was tun.« Ihre Stimme war mit jedem Wort lauter geworden.
    Flora nickte zustimmend. Sie ließ sich neben Carina fallen.
    »Deswegen habe ich dir ja auch den Zettel gezeigt.« Sie umarmten sich.
    »Keiner stellt sich

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