Rachekuss
nach dem Wochenende, als ihr euer Date hattet. Und er abgeblitzt ist. Und du die Suppe im Ausschnitt hattest. Sind das nicht ein bisschen viele Zufälligkeiten?«
Flora stand der Mund offen. Sie schnappte wie ein Fisch auf dem Trockenen.
»Meinst du echt, der wäre zu so was in der Lage? Aber er ist ja nicht mal in dem Kurs drin.«
»Muss er doch gar nicht. Xenia und Marie waren doch da. Und die waren bestimmt vor dir im Klassenzimmer.«
Flora nickte, blass geworden. Carina fuhr fort: »Hast du nicht gemerkt, dass Marie Fotos von dem Blutbad gemacht hat? Du brauchst nicht Einstein sein, um zu raten, auf wessen Handy die nachher landen. Oder schon gelandet sind.« Flora lief unruhig hin und her.
»Das glaub ich nicht. Ich glaub das einfach nicht. Carina! Ich hab doch niemandem was getan. Ich hab mit ihm geknutscht und gut war’s. Mann, wie viele Menschen sind kein Liebespaar, auch wenn sie sich schon mal geküsst haben. Das gibt’s doch gar nicht.«
»Es tut mir so leid, dass ich dich nicht gleich vor ihm gewarnt habe. Aber weißt du – jeder verdient doch eine Chance. Ich habe echt gehofft, dass sich Yannik gebessert hat. Und ich habe gedacht, ihr würdet gut zusammenpassen.«
»Schon gut, Carina, bitte, du musst dir doch keine Vorwürfe machen. Du hilfst mir eh so wahnsinnig viel.« Flora zog das zarte Mädchen in ihre Arme und sie hielten sich aneinander fest. Wärmten sich gegenseitig, beschützten sich.
»Ich werde jetzt ganz gut auf dich aufpassen«, sagte Carina feierlich. »Ich sorge dafür, dass Yannik nicht mehr in deine Nähe kommt. Ich bin dein Bodyguard, okay?«
Flora konnte das erste Mal wieder lachen und strubbelte Carina durch ihre kurzen Haare, strich ihr die pinke Strähne hinters Ohr.
»Warum bist du heute Morgen eigentlich so spät gekommen?«, fragte sie dann. Carina sah auf ihre Fußspitzen.
»Ach, ich musste meine Mutter heute früh in die Klinik bringen lassen. Alkoholvergiftung.«
»Nein!«, rief Flora aus. »Oh, du Arme, das ist ja furchtbar.«
»Na ja, ich hab da schon eine gewisse Routine. Es war nicht das erste Mal. Udo ist immer noch nicht wieder aufgetaucht und da ist bei ihr dann die Sicherung durchgebrannt. Nach der Vorstellung gestern kam sie schon ziemlich angeheitert heim und dann hat sie noch eine ganze Schnapsflasche niedergemacht. Ich hab sie gegen sechs heute Morgen vor dem Sofa liegend gefunden. In ihrer Kotze. Und weil ich sie nicht wach bekommen habe, habe ich halt den Rettungswagen gerufen. Na ja, in ein paar Tagen ist sie wieder auf den Beinen.«
»Bleibt sie solange im Krankenhaus?«
»Ich hoffe es, ehrlich gesagt. Vielleicht überreden die sie ja endlich mal zu einer Therapie.«
»Sag mal, soll ich mal meine Ma fragen, ob du bei uns solange wohnen kannst? Ist doch blöd, so ganz allein in der Wohnung, oder?«
Carinas blaue Augen blitzten wie Saphire. »Echt? Das würde gehen? Das wäre supernett! Danke.«
Flora lächelte. »Dann klappt das auch besser mit dem Aufpassen.«
Leticia hatte nichts einzuwenden gegen Carinas Besuch und so holten die Mädchen gegen Abend alles Notwendige und breiteten in Floras Zimmer die Gästematratze aus. Trotz oder gerade wegen der Ereignisse in der Schule wollten sie noch ausgehen, aber weil es aus der Küche verführerisch duftete, setzten sie sich doch zu Leticia und Lucas an den Abendbrottisch. Flora schob gerade den ersten Bissen Nudeln mit Käsesoße in sich hinein, als Lucas sie fragte: »Bist du echt eine Voodoo-Priesterin, Flora?« Flora ließ den Löffel fallen und auch Carina sah Lucas entsetzt an.
»Wie kommst du denn auf solche Ammenmärchen?«, fragte Leticia überrascht. Lucas pfriemelte sein Handy aus der Hosentasche und klickte ein Foto herbei.
»Ein Klassenkamerad hat mir das Foto hier geschickt und er hat behauptet, Flora sei eine Voodoo-Hexe, die Tieropfer macht und so was.«
Seine Schwester riss ihm das Handy aus der Hand und starrte gleichermaßen ungläubig wie angeekelt auf das Bild. Man sah sie darauf ganz nah, mit blutverschmierter Hose, Pullover, blutigen Händen und Blutspritzern im Gesicht. Der Hintergrund war nicht zu erkennen, sodass man nicht nachvollziehen konnte, in welcher Situation das Bild aufgenommen worden war.
Bevor Flora auf »Löschen« klicken konnte, nahm ihr Leticia das Handy ab. Angeekelt sah sie das Bild an. Flora fing an zu weinen. Carina versuchte zu erklären, was passiert war, aber Lucas unterbrach sie.
»Der Timo hat gesagt, Flora hat das Blutzeugs absichtlich
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