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Rachekuss

Rachekuss

Titel: Rachekuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Broemme
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Slip – der, der bei meiner Entführung verschwunden ist. Und jetzt frag ich mich schon, wie der in deine Tasche kommt.«
    »Du glaubst…«, er rang nach Luft. »Du glaubst allen Ernstes, ich hätte was mit dieser komischen Entführung zu tun? Bei dir hakt’s wohl! Warum hätte ich so was denn tun sollen?«
    »Damit du dich hinterher als mein großer Tröster aufspielen kannst und ich dich doch erhöre – und dein Plan ist ja auch sauber aufgegangen!«
    Yannik fing an, in der großen, beinahe dunklen Halle auf und ab zu tigern. Es schien, als suche er am Boden nach Worten, um dieser Anschuldigung glaubhaft zu widersprechen.
    »Niemals! Niemals würde ich so was machen! Hallo? Gehtbei den Jüngeren s noch? Klar, ich hab mich in dich verknallt, ziemlich sogar – aber so was? Wie krank ist das denn!«
    Flora fühlte sich mit einem Mal ganz klein. Was, wenn er recht hatte? Und was, wenn er einfach nur abstritt, was sie leider noch immer nicht zu hundert Prozent beweisen konnte?
    »Aber wieso hast du dann diese Unterhose in der Tasche?«
    »Keine Ahnung. Hat mir wer da reingeschmuggelt.« Abrupt blieb er stehen. Dann kam er auf Flora zu, packte sie an den Armen und schüttelte sie kräftig. »Und ich weiß auch wer! Carina war’s, diese fiese Schlange.«
    Flora riss sich mit einem Tritt gegen sein Schienbein los. Sie rannte auf die Tür zu, aber da umklammerte er von hinten ihre Taille. »Du hörst dir jetzt an, was ich zu sagen habe!«, schrie er.
    Es gelang ihr, seine Arme nach oben zu schieben, und sie biss kräftig in seine Hand.
    »Autsch!« Er ließ sie los und nun schaffte sie es, bis zur Tür zu kommen. Doch gerade bevor sie hinausschlüpfen konnte, versperrte er ihr den Ausgang.
    »Hiergeblieben«, schrie er noch lauter und umklammerte ihre Handgelenke. Wie sollte sie sich jetzt bloß befreien? Sie riss blitzschnell das Knie hoch und traf seine empfindlichste Stelle. Rückwärts torkelte er gegen die Wand.

16. Kapitel
    Auszug aus dem psychiatrischen Gutachten, Prof. Dr. W. Metzler vom 02.12. d. J.:
    »…Die familiäre Situation der Patientin liegt schon seit ihrer Geburt im Argen. Die Patientin hat die Familiensituation immer als chaotisch-instabil erlebt, zudem Gefühlskälte, Verlassensängste und Vernachlässigung erfahren müssen. Aus ihren Berichten lässt sich schließen, dass bei der Patientin schon als Kind ein Übermaß an Aggressivität zutage getreten und damit eine gesunde Entwicklung nicht gewährleistet war…«
    Der Wind spielte die ganze Nacht mit den Ästen des Kirschbaums auf ihrem Dachfenster Trommel. Sie warf sich im Bett hin und her. Schlief, wachte auf, lag da, wälzte sich herum, stand auf und trank etwas, lag wieder da und lauschte dem wirren Rhythmus des Windes. Schlief wieder, träumte von Ipanema und seinen Wellen und das Meeresrauschen verwandelte sich in Sturmgeheul und sie war wieder wach. Noch immer war es dunkel draußen. Sollte die Nacht nie ein Ende nehmen? Nie mehr der Morgen kommen?
    Natürlich klingelte der Wecker genau in dem Moment, als sie zum ersten Mal in tiefem Schlaf lag. Heute würde sie nicht aufstehen können. Wie sollte das gehen?
    Die Bilder des Streits machten sich breit in ihrem Kopf, sie machten ihren Körper träge und schwer.
    »Hast du mein Mathebuch gesehen?«, rief Lucas, machte das Licht an und wirbelte durch ihr Zimmer wie heute Nacht die Äste über das Fenster. Schon war er wieder fort und riss den letzten Funken Hoffnung auf mehr Schlaf mit sich. Mühsam erhob sich Flora und schlich ins Badezimmer. Duschen, Wasser, nichts hören und denken. Apathisch wie Frankensteins Monster ließ sie das Wasser auf sich niederrauschen. Als sie fertig war, wusste sie nicht einmal, ob sie sich eingeseift hatte.
    Den Anblick ihrer Familie würde sie heute Morgen nicht ertragen. Dann lieber gleich los, nichts wie raus hier. Ausgerechnet Sport hatten sie in den ersten zwei Stunden, aber Flora wagte nicht zu fehlen. Frau Käsbaur, die Sportlehrerin, war streng, Menstruationsbeschwerden ließ sie als Ausrede grundsätzlich nicht gelten und Flora wusste, sie musste sich anstrengen – außer im Volleyball war sie nicht gerade eine Heldin des Sports.
    Die frische, noch immer windige Luft an diesem sonnenklaren Morgen tat ihr gut. Sie war froh, dass ihr Handy noch immer nicht funktionierte und Yannik sie nicht erreichen konnte. Würde er es überhaupt versuchen? So wie die Nacht den Himmel geklärt hatte, hatten sich nun auch ihre Gedanken geklärt. Je näher sie der

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