Rachekuss
wie immer gesagt hätte, und sie spürte, dass sie langsam nicht mehr an zufällige Missgeschicke oder Ähnliches glauben konnte. Sie würde Carina danach fragen: Ob sie sich diese Blessuren selbst zufügte. Was sie gut verstanden hätte bei all dem Druck, unter dem Carina durch ihre schreckliche Mutter stand. Aber nicht jetzt. Jetzt war Yannik an der Reihe.
Carina versprach, draußen auf Flora zu warten, falls es nicht zu lange dauern und ihr nicht zu kalt werden würde.
»Ich komm schon klar«, sagte Flora und ging hinaus in den Flur. Sie fühlte in ihrer Hosentasche den Slip. Und die Wut kehrte in ihr Herz zurück. Wie konnte er ihr so etwas antun? Sie ging auf und ab, grausam dehnten sich die Minuten. Mindestens zehn würde sie noch warten müssen, bis sein Training beendet war. Sie musste ihn unbedingt alleine erwischen: Damit sie ihn ungestört anschreien konnte. Mit den Fäusten gegen seine Brust trommeln, ihm fest gegen das Schienbein treten konnte. Hör auf, redete sie sich zu. Hör auf damit.
Ein gellender Schrei aus der Turnhalle ließ sie zusammenzucken. Mit einem Satz war sie an der Tür und riss sie auf. Die beiden Mannschaften hatten sich um jemanden versammelt, der auf dem Boden zusammengekrümmt kauerte. Sie sah Yannik, der sich neben diesen Jemand gebückt hatte und ihm die Hand auf die Schulter legte. Ein Mitspieler, Yanniks Freund Jörgi, sprang auf und kam auf die Tür zugerannt.
»Was ist passiert?«, fragte sie ihn, doch er schob sie beiseite und sagte atemlos: »Wir müssen einen Krankenwagen holen, Bänderriss oder so was.«
Jetzt erkannte sie, dass es ausgerechnet Manfred erwischt hatte, den Trainer, der es sich nie nehmen ließ, beim Schlussspiel mitzumischen.
Yannik und ein anderer Mitspieler halfen Manfred beim Aufstehen und er stützte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht auf die beiden Jungs. Langsam humpelten sie auf den Ausgang zu. Yannik hatte Flora noch nicht bemerkt. Sie beobachtete sein rotes, von der Anstrengung des Spiels verschwitztes Gesicht und sie spürte, wie der Anblick fast ihr Herz zerriss. Sie liebte ihn, seine Zärtlichkeit, seine schönen, geheimnisvollen grünbraunen Augen, seinen muskulösen Körper… Nein, sie hasste ihn dafür, dass er sie betrog und belog, sie würde ihn fortschicken, aus ihrem Herzen, aus ihrem Leben, aber erst, wenn er all ihren Hass gespürt hätte, wenn er am eigenen Leib erfahren hätte, wie sehr er sie gedemütigt hatte.
Er lächelte ihr mühsam zu, als er Manfred an ihr vorbei zur Umkleidekabine führte. »Warte auf mich«, sagte er leise im Vorbeigehen. Diesen Wunsch würde sie ihm nur zu gerne erfüllen.
Es dauerte keine zehn Minuten, bis der Krankenwagen kam. Mit einem kalten, nassen Handtuch war Manfreds Knöchel gekühlt worden, während die Jungs die Halle aufgeräumt und angefangen hatten zu duschen. Yannik blieb bei Manfred, der ihm auch den Schlüssel anvertraute, damit er am Ende die Halle absperren konnte. Manfred fluchte leise vor sich hin, blass und mit Schweißperlen auf der Stirn.
Als er abtransportiert worden war, dauerte es nicht lange, bis sich die Halle und die Umkleidekabinen leerten. Auch Yannik war duschen gegangen und jetzt endlich kam er mit verstrubbelten Haaren auf Flora zu. Er grinste über das ganze Gesicht und trat dicht an sie heran.
»Wir haben die ganze Turnhalle für uns«, flüsterte er ihr ins Ohr und schob sie sanft in die Halle hinein. »Sollen wir den Neonlümmel gleich hier ausprobieren?« Sie schob ihn ein wenig fort von sich. Schweigend hob sie den Blick zu ihm.
»Uhh, du machst mir Angst«, sagte er und lächelte dabei. »Du schaust aus wie Buffy, die Dämonenjägerin.«
Flora nestelte wortlos den Stringtanga aus ihrer Tasche. »Wo hast du den her?«, fragte sie ohne Umschweife.
Yannik wollte danach fassen, aber sie zog ihn schnell fort. »Was ist das?«
»Na, wonach sieht es denn aus?« Ihr Herz klopfte ungestüm, sie spürte, wie der Zorn in ihr anschwoll. »Muss ich dir das echt erklären?«
»Ich fürchte, ja.« Er versuchte, ihr über den Kopf zu streicheln, aber sie duckte sich weg.
»Hey, Flora, spinnst du, was ist denn los?« Jetzt glitt das Lächeln aus seinem Gesicht und er zog verwundert die Brauen zusammen.
»Diesen Slip habe ich vorhin in deiner Sporttasche gefunden«, sagte sie so ruhig wie möglich.
»Das kann gar nicht sein«, erwiderte er blitzschnell. »Ich schlepp doch keine Mädelsunterwäsche mit mir rum.« Wie gerne hätte sie ihm geglaubt.
»Das ist mein
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