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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Babe.«
    Ich zog mir die restlichen Sachen aus und warf sie achtlos auf den Boden. Allerdings tat ich das auch, wenn ich nicht die Grippe hatte. Dann schlüpfte ich zwischen die kühlen Laken. Einen Moment lang war ich wie im Himmel. Ich musste wohl eingenickt sein, denn plötzlich stand Luke vor mir und hielt eine Auswahl von Milkshakes in den Händen.
    »Schokolade oder Erdbeere?«, fragte er.
    Ich schüttelte stumm den Kopf.
    »Ich wusste es doch«, sagte er und schlug sich an die Stirn. »Ich hätte Vanille holen sollen.«
    »Nein, Luke«, sagte ich schwach. »Keinen Hunger. Nichts essen. Wahrscheinlich muss ich jetzt sterben«, sagte ich mit einem matten Lächeln.
    »Nicht, Rachel«, befahl er mir mit besorgter Miene. »Sonst holt der Spott einen ein.«
    »Nein, spotten macht Spaß«, murmelte ich. Das sagte Helen immer.
    »Kann ich dich für eine Weile allein lassen?«, fragte er sanft.
    Ich musste wohl ein ängstliches Gesicht gemacht haben.
    »Ich will nur zum Drugstore runter und dir was holen«, erklärte er hastig.
    Ungefähr eine halbe Stunde später kam er wieder mit einer Tragetasche, in der alles vom Thermometer über Zeitschriften und Schokolade bis zum Hustensaft war.
    »Ich habe doch gar keinen Husten«, sagte ich geschwächt.
    »Vielleicht kriegst du noch welchen«, sagte er. »Besser, man ist auf alles vorbereitet. Jetzt wollen wir mal Fieber messen.«
    »NEUNUNDDREISSIG FÜNF!«, schrie er entsetzt. Panisch stopfte er die Decken fest um mich, auch unter meinen Füßen, sodass ich wie in einem kleinen Kokon lag.
    »Die Frau im Drugstore sagt, ich soll dich warmhalten, aber du bist schon warm«, murmelte er.
    Gegen Mitternacht war das Fieber auf neununddreißig acht gestiegen, und Luke holte einen Arzt. In Manhattan kostete ein Hausbesuch ungefähr so viel wie eine Vierzimmerwohnung. Luke musste mich wirklich geliebt haben.
    Der Arzt blieb drei Minuten, stellte die Diagnose Grippe – »Eine richtige Grippe, nicht nur eine fiebrige Erkältung« –, sagte, er könne mir nichts verschreiben, ließ sich von Luke seine horrende Rechnung bezahlen und ging.
    In den nächsten drei Tagen war ich nicht richtig bei mir. Ich hatte hohes Fieber und wusste nicht recht, wo ich war oder welcher Tag es war. Mir tat alles weh, ich schwitzte und zitterte und war zu schwach, um mich aufzurichten und die heiße Zitrone zu trinken, die Luke mir einflößen wollte.
    »Trink, Babe«, sagte er, »du brauchst Flüssigkeit und Zucker.«
    Luke nahm sich Donnerstag und Freitag frei, um mich pflegen zu können. Immer wenn ich aufwachte, war er in meiner Nähe. Entweder saß er auf einem Stuhl und beobachtete mich. Oder manchmal war er im Wohnzimmer und sprach mit seinen Freunden am Telefon: »Eine richtige Grippe«, prahlte er mehr als einmal. »Nicht nur eine schwere Erkältung. Nein, dagegen kann man nichts verschreiben.«
    Am Samstagabend ging es mir etwas besser, sodass er mich in meine Decken wickelte und zum Sofa im Wohnzimmer trug. Er trug mich! Etwa zehn Minuten lang versuchte ich fernzusehen, bevor ich nicht mehr konnte. Nie zuvor hatte ich mich so umsorgt gefühlt.
    Und wenn man uns jetzt sah: spinnefeind! Was war nur so entsetzlich schiefgegangen?

    Verschiedene Mitglieder meiner Familie kamen am Sonntag zu Besuch. Mit zusammengekniffenen Augen begrüßte ich Mum und Dad, die unter dem Gewicht der Pralinenpackungen, die sie mir mitbrachten, schier zusammenbrachen. Sieh sie dir an, die Arschkriecher, dachte ich. Jetzt wollen sie sich mit Süßigkeiten bei mir einschmeicheln. Ich bin also dumm, ja? Zu groß, wie?
    Sie schienen die bösen Gedanken, die ich ihnen hinüberschickte, nicht zu bemerken. Aber schließlich waren unsere Unterhaltungen immer angespannt, und dieser Tag war keine Ausnahme.
    Auch Helen kam wieder mit. Ich war sehr argwöhnisch, was ihre Motive anging, und ließ sie und Chris nicht aus den Augen, falls sie sich zu oft ansahen. Obwohl er sich auch seit dem Tag, als er Misty getröstet hatte, nett um mich kümmerte, war ich doch etwas nervös und verunsichert in seiner Nähe.
    Der Überraschungsgast des Tages war Anna. Ich war überglücklich, sie zu sehen. Nicht nur, weil ich sie mag, sondern auch, weil sie mir Drogen bringen würde.
    Wir umarmten uns fest, dann trat sie auf den Saum ihres langen Rocks und stolperte. Obwohl sie Helen sehr ähnlich war – zierlich, mit grünen Augen und langem schwarzem Haar –, hatte sie nicht Helens Selbstbewusstsein. Sie stolperte ständig, stieß irgendwo an

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