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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Mutter zu leben, die offen zeigt, dass Sie sie enttäuschen, die ihr Kümmernis mit ihrer eigenen Körpergröße auf Sie überträgt«, fuhr sie erbarmungslos fort. »Andere können ja ruhig sagen, dass Sie zu groß sind, aber wenn es die eigene Mutter ist, dann tut es weh, nicht wahr, Rachel? Es ist schwer, wenn man gesagt bekommt, dass man nicht intelligent genug ist, um einen ordentlichen Beruf zu erlernen.«
    »Meine Mutter liebt mich«, stammelte ich und fröstelte.
    »Ich sage auch nicht, dass sie es nicht tut«, stimmte Josephine mir zu. »Aber auch Eltern sind nur Menschen, mit Ängsten und unerfüllten Ambitionen, die sie manchmal über ihre Kinder ausleben. Es ist offensichtlich, dass Ihre Mutter einen großen Komplex hinsichtlich ihrer Körpergröße hat, den sie auf Sie übertragen hat. Sie ist ein guter Mensch, aber nicht immer eine gute Mutter.«
    Ich spürte heiße Wut gegen meine Mutter in mir aufwallen. Was für eine grausame Frau, dachte ich voller Bitterkeit. Weil sie mir mein Lebtag das Gefühl gegeben hat, ich sei ein ungelenkes Elefantenbaby. Kein Wunder, dass alle meine Beziehungen mit Männern immer in der Katastrophe endeten. Kein Wunder – ich war mir in diesem Punkt nicht ganz sicher –, dass ich so viele Drogen nehmen musste!
    »Heißt das, dass ich meiner Mutter die Schuld daran geben kann, dass ich süchtig bin – falls ich überhaupt süchtig bin?«, fragte ich in dem Versuch, mich an etwas Positives zu klammern.
    »O nein.«
    Nicht? Dann verstehe ich das hier nicht.
    »Rachel«, sagte Josephine sanft. »In Cloisters geht es nicht darum, Schuldige zu suchen.«
    »Worum denn dann?«
    »Wenn wir herausbekommen können, was der Grund für Ihr geringes Selbstwertgefühl ist, können wir damit umgehen.«
    Wieder kochte die Wut in mir auf. Ich war es leid, leid, leid. Ich war müde und hatte die Nase gestrichen voll von allem und wollte nur noch schlafen.
    »Wie kommt es dann«, fragte ich mit gezwungener Lockerheit, »dass ich Ihr sogenanntes geringes Selbstwertgefühl habe und meine Schwestern haben es nicht? Wir haben alle dieselben Eltern. Können Sie mir das erklären?«
    »Eine komplexe Frage«, erwiderte sie gelassen, »die ich teilweise bereits bei anderer Gelegenheit beantwortet habe.«
    »Wirkl...?«
    »Wir bilden uns das erste Bild von uns selbst nach dem, das unsere Eltern uns zeigen«, sagte sie ausgesprochen geduldig, »und Ihre Eltern verhalten sich Ihnen gegenüber freundlich, aber ablehnend.«
    Aufhören!
    »Manche Menschen nehmen sich die negativen Botschaften, die sie über sich empfangen, zu Herzen. Andere sind widerstandsfähiger und lassen derartige Kritik an sich abprallen ...«
    Ich musste zugeben, dass dies zum Teil tatsächlich bekannt klang.
    »... Sie gehören zu den empfindlichen Menschen, Ihre Schwestern nicht. So einfach ist das.«
    »Miststücke«, murmelte ich und hasste meine ganze Familie.
    »Wie bitte?«
    »Miststücke«, sagte ich lauter. »Warum mussten sie gerade mich ablehnen? Ich hätte ein wunderschönes Leben haben können, wenn sie das nicht getan hätten.«
    »Gut«, sagte Josephine. »Sie sind böse. Aber überlegen Sie doch mal, wie Margaret sich fühlen muss, weil ihr die Rolle der ›braven‹ Tochter zugeteilt wurde. Wollte sie jemals ausbrechen und etwas für sie Untypisches tun, hätte sie wahrscheinlich das Gefühl, dass sie dazu kein Recht hätte. Sie könnte ihren Eltern sehr böse dafür sein.«
    »Sie ist viel zu sehr die Schleimerin, um auf irgendjemanden böse zu sein«, brach es zornig aus mir heraus.
    »Sehen Sie! Sie übernehmen einfach die Festschreibung! Wenn aber Margaret nun böse sein wollte? Können Sie sich vorstellen, wie durcheinander und schuldbeladen sie sich fühlen würde?«
    »Mir ist ganz egal, wie sie sich fühlt!«
    »Ich will Ihnen damit nur zeigen, dass Ihnen und Ihren Schwestern unbewusst bestimmte Rollen zugeschrieben wurden. Das passiert in Familien die ganze Zeit. Sie mögen Ihre Rolle nicht – die des Dummerchens, des hässlichen Entleins –, aber Ihre Schwestern fühlen sich möglicherweise in ihren Rollen genauso unwohl. Hören Sie auf, sich selbst leidzutun, will ich damit sagen«, schloss sie.
    »Ich habe allen Grund, mich selbst zu bemitleiden«, sagte ich und verspürte großes, großes Selbstmitleid.
    »Sie können nicht durchs Leben gehen und andere Menschen für Ihre Fehler verantwortlich machen«, sagte Josephine streng. »Sie sind ein erwachsener Mensch. Übernehmen Sie Verantwortung für

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