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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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gerutscht.
    Sehr viel später, nachdem Helen uns Eis zum Nachtisch angeboten hatte – selbstverständlich die Rote-Bohnen-Geschmacksrichtung –, endete diese Tortur, und wir durften aufstehen und gehen.
    Chris ließ ein übertrieben großes Trinkgeld für Helen auf dem Tisch und lächelte ihr zu, als wir auf dem Weg nach draußen an ihr vorbeikamen.
    Sie bereitete ein Tablett mit Tequila für einige Gäste vor, die wie eine Gruppe von Gefängniswärtern an ihrem freien Tag aussahen. Ich konnte sie kaum ansehen. Eifersucht hatte meinen Magen korrodiert. Obwohl sie nichts dafür konnte, dass sie als Schönheit und mit einem übergroßen Selbstbewusstsein zur Welt gekommen war, fand ich das alles mehr als unfair. Was war mit mir? Warum kriegte ich nie was ab?

63
    A ls wir in den warmen Abend hinausflüchteten, schien Chris mich plötzlich wieder zu bemerken. In einer lockeren, freundlichen Geste legte er mir den Arm um die Schulter, und wir schlenderten durch die Straßen.
    Trotz allem war ich froh. Vielleicht mochte er mich doch.
    »Wie bist du in die Stadt gekommen?«
    »Mit dem Zug.«
    »Ich fahre dich nach Hause«, sagte er. Und mir wurde vor Freude warm. Ich mochte, was er sagte und wie er es sagte, und ich fühlte mich aufgehoben.
    »Es sei denn, du willst erst noch mit mir nach Hause kommen, auf einen Kaffee«, sagte er mit einem Seitenblick, den ich nicht deuten konnte.
    »Ehm ... okay«, stammelte ich. »Gut. Wo steht dein Auto?«
    »Stephen’s Green.«
    Also machten wir uns auf den Weg zu Stephen’s Green, zum ersten Mal an diesem Abend im Einklang miteinander. Und als wir in Stephen’s Green ankamen, entdeckten wir, dass das Auto gestohlen worden war.
    Woraufhin Chris den Tanz um das gestohlene Auto aufführte. Und der geht so: Man geht vier Schritte da entlang, wo das Auto stehen sollte, und bleibt abrupt stehen. Man geht vier Schritte in die andere Richtung und bleibt abermals abrupt stehen. Umdrehen, zwei Schritte hin, Stop, wieder zurück, Stop. Panischer Blick nach links, panischer Blick nach rechts, dann panische Blicke in alle Richtungen, und zur Krönung eine Ganzkörperdrehung um dreihundertsechzig Grad, gefolgt von einer Pirouette in die entgegengesetzte Richtung. An dem Punkt ist der Gesichtsausdruck wichtig. Die Augen treten vor, die Stirn wird in Falten gelegt, der Mund bleibt offenstehen. Man kann auch anfangen zu singen: »Aber wo ...? Ich hab es hier geparkt, eindeutig, ich habe es bestimmt hier geparkt.«
    Pause. Erneutes Auf- und abgehen, viel aufgeregter als beim ersten Mal. Auf und ab, auf und ab, auf und ab. Schneller, schneller, schneller .
    Erneutes Gesangszwischenspiel, diesmal mit ausgestreckten Armen: »War es wirklich hier ...?Vielleicht doch nicht ...? Aber ich bin mir sicher, ich bin mir ganz sicher.«
    Darauf folgt ein Crescendo : »Verdammte Scheiße! Diese Scheißkerle! Diese beschissenen Scheißkerle, verdammte ARSCHLÖCHER!«
    »Es war ganz neu.« (In manchen Versionen.)
    »Es ist nicht versichert.« (In anderen Versionen.)
    »Mein Vater weiß nicht, dass ich es genommen habe.« (In Chris’ Fall.)
    Ich beruhigte und beschwichtigte ihn. Ich sprach mit Engelszungen. Ich erbot mich, die Polizei zu holen, die Versicherungsagentur anzurufen und den oder die unbekannten Täter umzubringen. Am liebsten hätte ich mir jedoch ein Taxi genommen, wäre nach Hause gefahren und ins Bett gegangen und hätte mich nicht weiter um Chris und sein Unglück gekümmert. Aber aus irgendeinem Grund fühlte ich mich verpflichtet, bei Chris zu bleiben.
    Schließlich sagte er: »Das nützt alles gar nichts. Wir können genausogut nach Hause gehen. Morgen früh rufe ich die Bullen an.«
    Mein erleichtertes Aufatmen hätte beinahe ein paar Bäume entwurzelt.
    »Tut mir leid«, sagte er mit einem trockenen Lächeln, das ich irgendwie erkannte. »Möchtest du trotzdem mit mir nach Hause kommen? Meine Eltern sind nicht da«, fügte er noch hinzu.
    Mein Magen machte einen Hüpfer, und ich sagte lässig: »Ja, warum eigentlich nicht. Die Nacht ist noch jung, hahaha.«
    Was machst du da ?
    Lass mich doch in Ruhe! Er ist doch nur ein Freund. Obwohl ich selbst auch bei meinen Eltern wohnte, konnte ich nicht umhin, eine gewisse Häme zu spüren, weil Chris auch zu Hause lebte. Schließlich war er schon über dreißig und ich erst Ende zwanzig.
    Gerade noch so.
    Aber er war ein Mann. Irgendwie hatte es etwas muttersöhnchenhaftes, wenn ein Mann noch bei seinen Eltern lebte. Als ob er »Mammy« zu seiner

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