Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
erwähnt hatte, und ich verfluchte alle Männer, weil sie nie etwas wahrnahmen. Das Einzige, was ihnen an einer Frau je auffällt, dachte ich enttäuscht, sind große Titten. GroßeTitten sind so ziemlich das Einzige, was ihre Netzhaut registriert.
»Sieht hübsch aus«, sagte er. »Burschikos.«
Vielleicht log er, aber ich war bereit, ihm einfach zu glauben.
»Was wollen wir machen?«, fragte ich, meine gute Laune war wiederhergestellt.
»Ich weiß nicht, wozu hast du Lust?«
»Ist mir egal«, zierte ich mich. »Wozu hast du Lust?«
»Wozu ich richtig große Lust hätte: Ich würde mir liebend gern ein Gramm Haschisch kaufen und es innerhalb einer Stunde aufrauchen, dich dann mit mir nach Hause nehmen und dich bis zur Besinnungslosigkeit ficken«, sagte er nachdenklich. »Aber«, er lächelte beruhigend, als er mein schreckerstarrtes Gesicht sah, »das dürfen wir ja nicht.«
»Und in einen Pub können wir auch nicht gehen«, sagte ich und räusperte mich entschieden, womit ich ihm deutlich machte, dass ich ihn nicht ernst genommen hatte und dass ich mich nicht wie ein kleines Mädchen an ihn klammern und schmollen und mit dem Fuß aufstampfen würde. »Aber du hast gesagt, du würdest mich bis zur Besinnungslosigkeit ficken. DU HAST ES VERSPROCHEN!« Ich hatte in Cloisters gelernt, dass ich früher immer wieder den Fehler gemacht hatte, meine Bedürftigkeit zu zeigen. Bedürftige Mädchen schlagen die Männer in die Flucht. Daran bestand kein Zweifel. Um einen Mann also nicht in die Flucht zu schlagen, musste man so tun, als wäre man nicht bedürftig. Wenn er dich am nächsten Morgen aus der Wohnung lässt und sagt: »Na dann, bis bald«, sollst du nicht sagen: »BIS WANN? HEUTE ABEND? MORGEN? WANN, WANN, WANN?« Stattdessen sollst du sagen: »Mmmhm, bis bald«, mit deinen makellos manikürten Fingernägeln über seine unrasierte Wange fahren und auf einer Wolke der spürbaren Nichtbedürftigkeit davonschweben.
Ich wollte so tun, als wäre ich stark, auch wenn ich es nicht war. So wie sie es mir gesagt hatten. Tugendhaft war die Rachel, die sich mit einem Lächeln Chris zuwandte.
»Wir könnten... ich weiß nicht... ins Kino gehen?«, schlug er vor.
Nicht, was ich hören wollte.
Ins Kino?
Ins dämliche Kino?
War es so weit mit mir gekommen?
Nein, ich gab mich noch nicht geschlagen. Sie konnten mir mein Valium nehmen, mein Kokain oder meine Kreditkarte, aber meine Seele nicht. Und meinen Appetit auch nicht.
»Wir könnten was essen gehen«, sagte ich lebhaft. Luke und ich haben sehr glückliche Zeiten in Restaurants verbracht. »Das ist doch nicht verboten, oder?«
»Nicht gerade«, sagte er. »Solange wir nicht alles wieder rauskotzen oder fünfmal Dessert bestellen oder uns sonst abnormal verhalten.«
»Wohin sollen wir gehen?«, fragte ich. Jetzt freute ich mich. Ich stellte mir ein kleines romantisches Bistro mit schummriger Beleuchtung vor. Unsere Gesichter näherten sich einander im Kerzenlicht. Wir redeten stundenlang, der Wirt sah uns lächelnd zu, während die Stühle im Lokal hochgestellt wurden und Chris und ich, ins Gespräch versunken, nichts davon merkten.
»Lass uns ein bisschen herumlaufen, vielleicht sehen wir was Nettes«, meinte er.
Wir schlenderten durch die Stadt, und das, was er gesagt hatte, ging mir immer wieder im Kopf herum. Er wollte mich bis zur Besinnungslosigkeit ficken.
Der Teufel mit der silbernen Zunge.
Mmmmm.
Nein! Du darfst an solche Dinge nicht denken.
Genau, ich darf das nicht, dachte ich und nahm wieder Vernunft an. Zugegeben, er sah blendend aus, aber wir waren lediglich Freunde. Und das passte mir ganz gut. Mein Unterleib würde sich bei dem Ansinnen, in nüchternem Zustand mit jemandem zu schlafen, der nicht Luke war, verschließen.
Ein eisiger Wind wehte durch mich hindurch, als ich mir klarmachte, dass ich nie wieder mit Luke im Bett liegen würde. Für einen winzigen Moment vergaß ich ganz, dass ich ihn hasste.
Energisch zwang ich mich, dem Hier und Jetzt und Chris meine Aufmerksamkeit wieder zuzuwenden.
Wir gingen zum Temple Bar, dem Rive Gauche von Dublin. Wo ich Zeugin der Aufmotzung meiner Heimatstadt wurde. Und es war ganz schön was los. Und sah sehr anziehend aus.
Könnte ich hier leben?, fragte ich mich. Die Stadt hatte sich in den acht Jahren, seit ich nicht mehr hier wohnte, sehr verändert.
Genug verändert, dass ich hier leben könnte? Ein ängstliches Zittern durchfuhr mich.
Wohin würde ich gehen, wenn ich nicht in Dublin
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