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Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)

Titel: Rachel im Wunderland: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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verzogenen Mund, »damit es authentisch klingt.«
    Dann sagte sie: »Gut, was wollt ihr haben?«
    Die Speisekarte bestand aus dem üblichen Tex-Mex-Mischmasch mit roten Bohnen an jeder Ecke.
    »Was würdest du uns denn empfehlen?«, fragte Chris augenzwinkernd.
    »Um ehrlich zu sein, ich würde euch empfehlen, woandershin zu gehen«, sagte sie. »Die Belegschaft darf hier essen, aber ich schwöre dir, man muss die Leute bezahlen, damit sie den Fraß runterwürgen. Wenn man gern extrem lebt, ist es in Ordnung. Vorhin habe ich einen Burrito gegessen, das war eine Nahtoderfahrung. Wenn ihr nicht in Selbstmordstimmung seid, solltet ihr woandershin gehen. Zum Beispiel in das italienische Restaurant gleich gegenüber, geht doch dahin!«
    Ich stand schon fast, aber Chris sagte: »Ach, wo wir schon mal hier sind, bleiben wir auch.«
    Ziemlich aufgebracht bestellte ich also rote Bohnen mit einer Rote-Bohnen-Soße.
    »Und als Beilage rote Bohnen?«, fragte Helen mit gezücktem Kuli.
    »Von mir aus«, sagte ich düster. »Schaden kann es ja nicht.«
    »Geht in Ordnung«, sagte sie und ging. »Mutschas Gratz Jas,Amoebas.«
    Sie war wieder da: »Ach so, was wollt ihr denn trinken? Ich kann euch was von dem Tequila klauen, weil der so billig und schrecklich ist, dass es keinem was ausmacht, wenn wir davon was nehmen. Allerdings muss man aufpassen, dass man davon nicht blind wird. Tut mir leid, aber wenn sie mich noch einmal beim Bierklauen erwischen, dann bin ich dran.«
    »Ehm, nein, Helen, ist schon in Ordnung«, sagte ich und wollte vor Scham in den Erdboden versinken. »Ich nehme eine Cola Light.«
    Sie starrte mich an, als wäre ich eine Fata Morgana. »Cola Light? Einfach nur Cola? Also, ich habe das nicht so gemeint. So schlecht ist der Tequila nun auch wieder nicht. Vielleicht kriegt man einen kleinen schizophrenen Anfall, aber das geht vorüber.«
    »Danke, Helen«, murmelte ich. »Aber Cola Light ist genau richtig.«
    »Okay«, sagte sie verblüfft. »Und du?«, sagte sie zu Chris.
    »Für mich dasselbe«, sagte er leise.
    »Aber warum denn?«, fragte sie. »Ihr seid doch DROGENSÜCHTIG, aber keine ALKOHOLIKER.«
    Noch in dem italienischen Restaurant gegenüber drehten die Leute die Köpfe nach uns um.
    »Was ist?«, fragten alle diese Köpfe. »Warum trinkt ihr nicht was? Was kann das schon schaden? Schließlich seid ihr ja keine ALKOHOLIKER!«
    Aber dies war nicht der rechte Zeitpunkt, um sich auf den Stuhl zu stellen und einen allgemeinen Vortrag über Suchtübertragung zu halten.
    »Wirklich, Helen.« Chris war auf einmal sehr bestimmt. »Danke für das Angebot, aber nein danke.«
    Sie ging, und Chris und ich saßen da und schwiegen uns an. Ich war plötzlich sehr, sehr deprimiert. Ich vermutete, dass es Chris nicht anders ging.
    Dann schämte ich mich unseres Schweigens. Es bildete einen zu starken Kontrast zu dem lauten Gekreische und dem betrunkenen Krakeelen der Menschen um uns herum. Ich hatte das Gefühl, dass sich alle auf der Welt amüsierten außer mir und meinem Cola-trinkenden Freund.
    Ich hasste ihn, ich hasste mich, ich hasste es, nicht betrunken zu sein. Oder zugekokst, idealerweise.
    Ich bin zu jung, um auf diese Weise draußen zu stehen, dachte ich erbittert.
    Ich hatte mich mein Leben lang ausgeschlossen gefühlt, und jetzt war ich ausgeschlossen.
    In dem verzweifelten Versuch, normal zu erscheinen, begann ich eine Unterhaltung mit Chris. Ich täuschte damit niemanden, am wenigsten mich selbst.
    Im ganzen Lokal waren die Menschen ungehemmt, frei, jung, lebhaft, farbenfroh. Außer an unserem Tisch. Vor meinem geistigen Auge verwandelten sich die lebhaften Farben in Grautöne, wenn unser Tisch erschien, wurde aus der fröhlichen Musik und dem ausgelassenen Gelächter ein Film in Zeitlupe. Wir waren nicht im Tritt, wir gehörten nicht dazu, wir waren ein Ausschnitt aus einem düsteren, osteuropäischen Kunstfilm, mitten in Bugs Bunny Goes to Acapulco.
    Viel später kam unser Essen, und wir taten so, als freuten wir uns.
    Wir schoben die roten Bohnen auf unseren Tellern herum, und der wacklige Tisch kippelte und wiegte sich wie ein Schiff auf hoher See. Ich stellte meinen Ellbogen auf den Tisch, und Chris’ Cola schwappte über. Dann nahm Chris das Salzfässchen, worauf der Tisch sich neigte und meine Gabel zu Boden fiel. Ich nahm meinen Ellbogen vom Tisch, um auf dem Boden nach meiner Gabel zu fahnden, da Chris keine Anstalten machte, es zu tun, der faule Sack, und sein Teller wäre beinahe vom Tisch

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