Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
Keiner wollte mir einen ausgeben oder Geld leihen. Obwohl ich gefragt hatte. Gedemütigt schlich ich mich davon.
Aber als ich nach Hause kam und mich ins Bett legte, brummte es in meinem Schädel wie in einem Bienenstock, es raste wie auf einer Rennpiste. Das war schlimmer als vorher, bevor ich die Line genommen hatte. Ich nahm also drei Schlaftabletten und versuchte mich an einem Gedicht, weil ich mir so kreativ und einzigartig begabt vorkam.
Immer noch schaltete mein Kopf nicht ab, also warf ich noch ein paar Tabletten ein.
Das schöne Gefühl des Rauschs war verflogen, stattdessen hatte ich ein unablässiges Vibrieren im Kopf. Ich bekam es mit der Angst zu tun. Wann würde das aufhören? Was, wenn es nie aufhörte?
Meine Angst flitzte hierhin und dorthin und ließ sich dann auf dem Gedanken an die Arbeit am nächsten Tag nieder. Mein Herz wurde mir eng vor Beklommenheit. Ich musste zur Arbeit gehen, ich hatte so oft gefehlt, dass ich nicht schon wieder blaumachen konnte. Ich durfte mich nicht verspäten, und ich durfte keine Fehler mehr machen. Deshalb musste ich sofort einschlafen. Aber ich konnte nicht schlafen!
Voller panischer Angst schüttete ich mir die restlichen Schlaftabletten in die Hand und stopfte sie mir in den Mund.
Stimmen, blendend helles Licht, ein Rütteln und Schieben am Bett, blaues Licht, Sirenen, noch mehr Stimmen, wieder Rütteln, weißes Licht, seltsamer Geruch von Desinfektionsmitteln. »Blöde Kuh«, sagt eine Stimme. Wer ist eine blöde Kuh, geht es mir durch den Kopf. Piepsgeräusche, eilige Schritte in Fluren, Metall auf Metall, eine grobe Hand an meinem Kinn öffnet mir gewaltsam den Mund, Plastik auf meiner Zunge, ein Ratschen in meinem Hals. Dann ein Würgen und Nach-Luft-Schnappen, versuche mich aufzurichten, werde zurückgehalten, setze mich zur Wehr, würge und bebe, kräftige Hände pressen mich auf den Tisch. Aufhören!
In weniger als vierundzwanzig Stunden war ich wieder zu Hause. Wo Margaret und Paul aus Chicago eingetroffen waren, die mich in eine Klinik in Irland bringen sollten. Ich verstand überhaupt nicht, wozu sie alle einen solchen Aufstand machten. Abgesehen davon, dass ich das Gefühl hatte, ich wäre zusammengeschlagen worden, hätte eine Rasierklinge im Hals stecken und müsste bald verdursten, ging es mir gut. Fast ausgezeichnet. Es war nichts weiter als ein peinlicher Unfall gewesen, den ich möglichst schnell vergessen wollte.
Dann, zu meiner Überraschung, kam Luke.
Hilfe . Ich bereitete mich auf seine Vorwürfe vor, weil ich am Sonntagabend abgehauen war und Koks genommen hatte. Ich vermutete, dass er das bei der ganzen Magenauspump-Affäre mitbekommen hatte.
»Hallo.« Ich lächelte angespannt. »Musst du nicht arbeiten? Komm, ich stell dich meiner Schleimer-Schwester Margaret und ihrem grässlichen Mann vor.«
Luke begrüßte sie höflich mit Handschlag, aber sein Ausdruck war verschlossen und finster. Um wieder ein Lächeln auf sein Gesicht zu zaubern, begann ich, die zum Schreien komische Geschichte von meiner Eskapade im Mount-Sinai-Krankenhaus, wo ich aufwachte und meine Eingeweide aus mir rauskotzte, zum Besten zu geben. Er packte mich mit festem Griff am Arm und sagte: »Ich muss mit dir unter vier Augen reden.« Mein Arm tat weh, und sein stinksaurer Blick machte mir Angst.
»Wie kannst du bloß darüber Witze reißen?«, fragte er wütend, als er die Tür zu meinem Zimmers hinter sich zugeworfen hatte.
»Reg dich ab.« Ich zwang mich zu einem Lachen. Eigentlich war ich erleichtert, dass er mir nicht die Hölle heißmachte, weil ich am Sonntagabend gekokst hatte.
»Du wärst fast gestorben, Himmelherrgott«, fauchte er. »Überleg doch mal, was wir uns für Sorgen gemacht haben – schon die ganze Zeit, nicht nur jetzt deswegen – denk doch mal an Brigit, aber du kannst darüber nur lachen!«
»Könntest du bitte mal wieder runterkommen?«, sagte ich höhnisch. »Es war ein Unfall!«
»Du bist verrückt, Rachel, ehrlich«, sagte er heftig. »Du brauchst Hilfe, und zwar schnell.«
»Wo ist dein Sinn für Humor geblieben?«, fragte ich. »Du bist fast so ätzend wie Brigit.«
»Ich werde dir darauf nicht antworten.
»Brigit sagt, dass du in eine Klinik kommst«, sagte er etwas sanfter. »Ich kann das nur begrüßen.«
»Hast du den Verstand verloren?«, sagte ich lachend. »Ich in eine Klinik? Das soll wohl ein Witz sein! Außerdem kann ich dich ja nicht einfach allein lassen.« Ich lächelte vertraulich, um so unsere Nähe
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