Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
leid.« Nein, Moment mal, und sagt: »Es tut mir aufrichtig leid.« (Ja, da würden sie nicht schlecht staunen!) Man liegt nicht im Bett und plant, dass man ihnen anschließend ein freundliches, warmes Lächeln schenkt. Und zum Abschied noch hinterherschiebt: »Vielleicht können wir Freunde sein?«
Das Gefühl von Herzlichkeit und Zuneigung bringt die Zähne nicht zum Knirschen und verursacht auch keinen schlechten Geschmack im Mund.
Zum ersten Mal wurde mir bewusst, wie egoistisch und selbstsüchtig ich gewesen war. Wie scheußlich es für Brigit und Luke gewesen sein musste, mit mir und dem Chaos, das ich um mich herum schuf, zu leben.
Das alles machte mich ihretwegen sehr traurig, weil ich ihnen so viel Unglück und Sorgen bereitet hatte. Arme Brigit, armer Luke. Ich weinte und weinte, ich weinte unablässig. Und zum ersten Mal in meinem Leben nicht meinetwegen.
Mit entsetzlicher Klarheit sah ich plötzlich, was für Qualen es ihnen bereitet haben musste, in ein Flugzeug zu steigen, nach Cloisters zu kommen und dort das zu sagen, was sie gesagt hatten. Natürlich hatten Josephine und Nola und alle anderen sich den Mund fusselig geredet, um mir das klarzumachen, aber ich war noch nicht bereit dafür gewesen.
Ich hätte nie zugegeben, dass ich süchtig bin, wenn Luke und Brigit mich nicht so schonungslos mit der Wahrheit konfrontiert hätten. Und ich war ihnen dankbar.
Ich erinnerte mich an die letzte, so schreckliche Szene mit Luke und verstand jetzt seinen Zorn.
Das Ganze hatte sich über ein Wochenende aufgebaut. Am Samstagabend waren wir auf eine Party gegangen, und während Luke mit Anyas Freund über Musik sprach, wanderte ich suchend in die Küche. Ich suchte irgendwas, egal was. Ich langweilte mich zu Tode. Im Flur stieß ich auf David, einen Freund von Jessica. Er war auf dem Weg ins Badezimmer, mit einem kleinen, aber perfekt geformten Beutel Koks, und lud mich ein teilzuhaben.
Ich hatte versucht, mich von Schnee fernzuhalten, weil Luke so empfindlich darauf reagierte. Aber eine Gratis-Line konnte ich nicht ausschlagen. Und ich fühlte mich geschmeichelt, weil David so freundlich zu mir war.
»Ja, danke«, sagte ich und schloss rasch die Badezimmertür hinter uns zu.
Dann kam ich zu Luke zurück.
»Babe.« Er legte mir den Arm um die Taille. »Wo warst du denn?«
»Du weißt schon«, schniefte ich. »Habe mich unterhalten.«
Ich dachte, ich könnte mich und meinen Rausch hinter meinen Haaren verstecken und er würde nichts merken. Aber Luke zog mich heran, sodass er mir ins Gesicht sehen konnte, und wusste sofort Bescheid. Seine Pupillen wurden vor Zorn und noch etwas anderem ganz klein. Enttäuschung?
»Du hast was genommen«, sagte er scharf.
»Nein«, sagte ich mit großen und unschuldigen Augen.
»Lüg mich nicht an«, sagte er und ließ mich stehen.
Ich war entsetzt, als ich sah, dass er wirklich seine Jacke nahm und gehen wollte. Einen Moment lang spielte ich mit dem Gedanken, ihn ziehen zu lassen. Dann konnte ich mich zudröhnen, ohne dass er mir die Hölle heiß machte. Aber in letzter Zeit war es mit uns so schlecht gelaufen, dass ich nichts riskieren wollte. Ich rannte hinter ihm her aus dem Haus.
»Es tut mir leid«, keuchte ich, als ich ihn einholte. »Es war nur eine Line. Ich tu’s auch nicht wieder.«
Er drehte sich zu mir um, sein Gesicht war vor Zorn und Schmerz verzerrt.
»Du sagst ständig, dass es dir leidtut«, schrie er, und in der kalten Februarnacht kam sein Atem in weißen Wolken aus seinem Mund. »Aber du sagst das nur so dahin.«
»Doch, es tut mir wirklich leid«, widersprach ich. In dem Moment tat es mir auch leid. Es tat mir immer leid, wenn ich sah, wie böse er auf mich war. Ich sehnte mich immer dann am meisten nach ihm, wenn ich dachte, ich würde ihn verlieren.
»Ach, Rachel«, stöhnte er.
»Komm«, sagte ich. »Lass uns nach Hause gehen und ins Bett.«
Ich wusste, dass er mir nicht widerstehen konnte und ein guter Fick ihn beruhigen würde. Aber als wir uns hinlegten, rührte er mich nicht an.
Am nächsten Tag war er so zärtlich wie immer, und ich wusste, dass er mir verziehen hatte. Er verzieh mir jedes Mal, aber ich war schrecklich deprimiert. Als hätte ich zwei volle Gramm gesnifft und nicht nur eine Line. Nach ein paar Valium verflog meine öde Stimmung, und ich fühlte mich warm und geborgen.
Am Sonntagabend blieben wir zu Hause, machten es uns auf dem Sofa bequem und sahen uns ein Video an. Wie aus heiterem Himmel sah ich plötzlich
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