Rachel im Wunderland: Roman (German Edition)
vor meinem geistigen Auge, wie ich eine wunderbare, lange Line Koks sniffte. Und auf der Stelle fühlte ich mich von Luke fürchterlich gegängelt.
Ich rutschte auf dem Sofa hin und her und versuchte, mich wieder zu beruhigen. Es war Sonntagabend, ich hatte es richtig gut, es gab keinen Grund auszugehen. Aber ich wurde das Verlangen nicht mehr los. Ich musste etwas tun. Ich konnte köstliches, beißendes, betäubendes Kokain schmecken, ich spürte schon die Wirkung.
Ich kämpfte dagegen an und wollte es unterdrücken, aber es war unwiderstehlich.
»Luke«, sagte ich mit unsicherer Stimme.
»Babe?« Er lächelte mir träge zu.
»Ich glaube, ich sollte nach Hause gehen«, sagte ich.
Er sah mich kalt an, das Lächeln war verschwunden.
»Weil...« Ich sprach nicht weiter. Ich wollte sagen, weil mir schlecht war, aber beim letzten Mal hatte er darauf bestanden, dass ich blieb und er mich pflegte. Er hatte mir eine Wärmflasche für meine vorgetäuschten Magenschmerzen gemacht und Ingwer gegen meine angebliche Übelkeit verabreicht.
»Weil ich morgen sehr früh anfangen muss, und ich möchte dich nicht stören, wenn ich aufstehe«, stammelte ich.
»Wie früh?«
»Sechs Uhr.«
»Das macht doch nichts«, sagte er. »Es schadet gar nichts, wenn ich früh ins Büro komme.«
O nein. Warum musste er so verdammt nett sein? Wie konnte ich bloß entkommen?
»Außerdem habe ich vergessen, eine frische Unterhose mitzubringen«, sagte ich, der Verzweiflung nahe. Das Gefühl, in der Falle zu sitzen, verstärkte sich.
»Aber du kannst doch vor der Arbeit in deiner Wohnung vorbeigehen und eine anziehen«, sagte er unbeugsam.
»Doch nicht, wenn ich so früh anfangen muss.« Ich geriet in Panik. Ich hatte das Gefühl, dass die Wände des Zimmers näher rückten. Ich stand auf und bewegte mich langsam in Richtung Tür.
»Nein, warte mal.« Er warf mir einen seltsamen Blick zu. »Du hast Glück. Du hast mal eine Unterhose hier vergessen, und ich habe sie mitgewaschen. Ein Hoch auf Luke, die Waschfrau«, fügte er grimmig hinzu.
Ich hätte beinahe geschrien. Schweißtropfen sammelten sich auf meiner Stirn. »Hör zu Luke!« Ich konnte mich nicht bremsen. »Ich bleibe heute Nacht nicht hier, klar? Und damit Schluss.«
Er war verletzt. Und wie.
»Es tut mir leid«, sagte ich panikerfüllt. »Ich muss mal wieder allein sein.«
»Kannst du mir sagen, warum?«, fragte er. »Ich meine, vor noch nicht fünf Minuten warst du doch glücklich. Liegt es am Video?«
»Nein.«
»Habe ich was getan?«, fragte er, und es klang ein bisschen sarkastisch. »Oder habe ich was nicht getan?«
»Nein, Luke«, sagte ich hastig. »Es ist alles in Ordnung. Ich weiß auch nicht.«
An seinem verärgerten, schmerzlich verzogenen Gesicht sah ich, dass meine Worte auf steinigen Boden fielen. Aber das kümmerte mich nicht. Ich sah mich schon an Waynes Tür und einen Handel mit ihm abschließen.
»Ich rufe dich morgen an«, presste ich hervor. »Tut mir leid.«
Dann schoss ich zur Tür hinaus und war viel zu erleichtert, um mich hassen zu können.
Innerhalb von zehn Minuten hatte ich Wayne gefunden und ihn um ein Gramm gebeten.
»Schreib es auf.« Ich lachte gezwungen. »Nächste Woche bin ich wieder flüssig.«
»Mir egal«, sagte er achselzuckend. »Du weißt doch, wie es heißt: Bitten Sie nicht um Kredit, denn eine Kugel im Kopf gilt schließlich als unhöflich.«
»Haha«, sagte ich und dachte: du Arschloch.
Schließlich konnte ich ihn überreden, mir ein Viertelgramm zu geben, was gerade so reichte, um das beklemmende Gefühl zu vertreiben und mir einen kurzen, euphorischen Rausch zu verschaffen.
Als ich vom Damenklo kam, war er schon weg.
Konsterniert stellte ich fest, dass sich die Bar leerte und alle, die ich auch nur flüchtig kannte, gingen. Aber es war erst eins. »Wohin geht ihr alle?«, fragte ich nervös und hoffte, dass mich vielleicht jemand aufforderte mitzukommen.
»Sonntagabend«, sagten sie. »Morgen geht die Woche los.«
Morgen geht die Woche los? Heißt das, dass sie nicht zu einer Party gingen, sondern nach Hause, ins Bett?
Kurz darauf war ich allein mit meinem Rausch und hatte niemanden, mit dem ich feiern konnte. Ich lächelte den wenigen Gästen freundlich zu, aber keiner von ihnen erwiderte mein Lächeln. Paranoia machte sich breit. Ich hatte kein Geld, keine Drogen, keine Freunde. Ich war allein und unerwünscht, aber dennoch mochte ich nicht nach Hause gehen.
Am Ende blieb mir aber nichts anderes übrig.
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