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Rachel ist süß (German Edition)

Rachel ist süß (German Edition)

Titel: Rachel ist süß (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Bax
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funktioniert hat, auf einen neuen MP3 Player und ersetze im besten Fall vorher die letzte Silbermond-Erkenntnis durch den neuesten Rosenstolz-Appell.
     
    Als Kind einer anderen Zeit kann mich das auf die Dauer aber nicht wirklich glücklich machen und so versuche ich heimlich zu den Wurzeln zurückzukehren. Ich lerne in der Volkshochschule Melissas Lieder auf der Laute, singe KDs Balladen in der Badewanne a capella und bin ständig auf der Suche nach Kniebundhosen. Und Burgen.
     

     

Zeichen und wundern
     
    E
     
    s gibt eine Frage die ich mir mit schöner Regelmäßigkeit im Stau oder an Ampeln mit großzügigen Rotphasen stelle. Diese Frage lautet: Bin ich Lesbe genug für einen Autoaufkleber?
     
    Bin ich so glücklich über meine sexuelle Orientierung wie die Mutter von Kevin und Chantal über deren ständige Anwesenheit auf ihrem Rücksitz?
     
    Bin ich so begeistert vom homosexuellen Leben wie das freundliche Ehepaar im Wagen vor mir von New York?
     
    Bin ich so von mir und meiner Neigung erfüllt wie die Sportschützen des SSV Aldenrade vom Scheibenschießen?
     
    Ob auf der A2 vor Hannover oder der A3 vor Köln, ich finde auf diese Frage einfach keine Antwort. Ich starre hilflos auf die Autos wildfremder Fussballfans, Marathonfinisher oder Neuabiturienten und fühle mich von der Fülle der selbstklebenden Bekenntnisse bedrängt.
     
    Wie tief meine Aufkleberkrise im Einzelfall wird, hängt dabei nicht nur von der Dauer meiner mobilen Isolationshaft ab, sondern auch davon, wer gerade in meiner Nähe mit gestaut wird. Manchmal verfalle ich angesichts der freiwillig gegebenen Informationen einfach nur in stilles Staunen und ich gebe gerne zu, dass ich von vielen Dingen ohne Autoaufkleber nie erfahren hätte.
     
    Wer hätte gedacht, dass Jesus und Elvis leben und dass Gott gerade mich liebt?
     
    Die hochglänzende Drohung auf einem fremden Kotflügel neben mir, dass die Fahrerin für Riesenschnauzer bremsen würde, wenn wir denn alle fahren könnten, stürzt mich allerdings genau in solchen religiösen Momenten, in denen ich mich zum lesbischen Bekennen entschlossen habe, wieder in tiefe, existentielle Zweifel.
     
    Liegt mir möglicherweise auch eine Spezies, Gattung oder ein Geschlecht so am Herzen, dass ich mein Karosserie-Coming-Out für einen öffentlich garantierten Tritt auf die Bremse verschieben möchte?
     
    Und wenn ich doch lieber mit Frauen schlafe als für Kröten bremse, bin ich dann ein schlechter Mensch? Liebt Gott mich dann weniger?
     
    Könnte ich vielleicht versichern „Lesbe, bremst für alles“ und damit zwei Fliegen, für die ich nebenbei bemerkt nicht bremsen würde, mit einer Klappe schlagen?
     
    Ich weiß es einfach nicht.
     
    Manchmal, wenn Kevin, Anna Lena, Chantal oder Marcel dann gerade beidhändig den Diddlmaus-Sonnenschutz von der Scheibe eines Minivans reißen und ihre Fläschen rhythmisch gegen die Heckscheibe schlagen, bin ich nicht mal sicher, ob ihre Mütter am Steuer wirklich stolz sind.
     
    Hat irgendjemand, den sie kennen, schon einmal die Besitzer eines solchen Aufklebers nach ihren Motiven befragt?
     
    Eben!
     
    Wer sagt mir, dass diese freundlichen Menschen andere Verkehrsteilnehmer nicht einfach warnen wollen, dass sie sicherstellen wollen, dass niemand, der zufällig neben ihnen parkt, sorglos an die spaltbreit geöffnete Scheibe klopft und von den Bestien in ihrem Heck zerrissen wird. Vielleicht ist der Aufkleber aber auch gar keine Warnung, sondern ein Hilferuf, die selbstklebende Version von „Hilfe ich werde von zwergwüchsigen Killern entführt“ sozusagen. Das würde mir auch im Bereich Partnerinnensuche ganz neue Möglichkeiten eröffnen. Es würde sich bei dieser Interpretation nämlich durchaus lohnen, die erstaunlich hübsche Mutter von Sven-Jonas und Torben im nachmittäglichen Berufsverkehr wortlos aus ihrem Kleinwagen zu zerren, sie im blassen Dunst der Autoabgase leidenschaftlich zu küssen und mit ihr über die Autodächer in den Sonnenuntergang zu fliehen. Würde mein noch anzubringender lesbischer Aufkleber dann von allzu sorglosen Vätern als Warnung verstanden werden? Oder als Asylvorschlag? Würden sich übernächtigte Kleinkindmütter bei der geringsten Unterbrechung des Verkehrsflusses in Scharen in mein Heck flüchten? Keine meiner Freundinnen hat mir bisher von solchen Vorfällen berichtet, aber ich war ja auch die Letzte, der man erklärt hat, warum man alle zwei Wochen nach den Tagesthemen trotz gleichbleibend schlechter

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