Rachel ist süß (German Edition)
Weltlage schöner träumt.
Und falls die Mütter doch stolz auf Justin und Annika sein sollten und mein verführerisches Augenzwinkern wirkungslos an ihren getönten Scheiben abgleitet? Wäre mein Aufkleber dann einfach nur Erinnerung daran, dass auch in Staus zehn Prozent Homosexuelle zu hilflosen Opfern von unberechenbaren Wanderbaustellen werden?
So eine Art „stand im Stau und be counted“?
Und würde meine beklebte Heckscheibe endlich die rechtliche Gleichstellung meiner Minderheit zur Folge haben oder würde wenigstens irgendjemand sich aufgerufen fühlen, auf nebeligen Landstraßen für uns zu bremsen?
Ich könnte mir dann durchaus vorstellen, wie ich in der brünftigen Stimmung eines lauen Frühlingsabends arglos über Wiesen, Auen und Bundesstraßen hüpfe und erst vom lauten Quietschen bremsender Reifen jäh aus meinem Taumel gerissen werde. Wie ich wie hypnotisiert im hellen Licht der Scheinwerfer verharre und regungslos auf die wohlgeformte Gestalt schaue, die näher kommt und mit ihrer warmen Hand über meinen ganzen Körper streicht, um zu fühlen, ob ich verletzt bin und wie ich …
Ich schweife ab.
Vielleicht ist mir einfach der Glaube verloren gegangen, den ich mit achtzehn noch besaß, als ich sicher war, dass der riesige gelbe Aufkleber auf meiner Fahrertür der Nutzung von Atomkraft den Todesstoß versetzen würde.
Was ja auch funktioniert hat, irgendwie.
Lange hoffte ich, dass das mit der Power zusammenhing, von der ich auf der Beifahrertür behauptet hatte, dass sie auf die Dauer helfen würde. Nachdem was ich heute über verbleites Benzin weiß, befürchte ich allerdings, dass viele der Atombefürworter Ende der Siebziger einfach an meinen Auspuffgasen erstickt sind.
Was meine Verwirrung auf dem Gebiet der modernen Kotflügelkommunikation vergrößert, ist zudem die Tatsache, dass ich die Zeichen der Zeit nicht immer richtig deute. Früher konnte ich in fremden Städten Frauen mit einer Doppelaxt auf der Scheibe risikolos in die Rücklichter fahren und sicher sein, nach der Übernahme der Schuld zu erfahren, wo die nächste Frauenkneipe war. Keine dieser Frauen wollte damals mit diesem Aufkleber sagen, dass sie eine heterosexuelle griechische Holzfällerin war. Und seit der Regenbogen egal in welcher Form zu einem Kennzeichen der Familie geworden war, erschien mir die Sache eher noch einfacher.
Was sie nicht ist.
Wenn mich irgendeine nette Freundin rechtzeitig auf die Ausnahme von der Regel hingewiesen hätte, wäre einer unfassbar schönen Katholikin, die mir in einem sehr langen, sehr langweiligen Stau zulächelte, eine schwere Glaubensprüfung erspart geblieben. Ich war nach einem kurzen Blick auf ihre Kofferraumklappe diesen lockenden Lippen gefolgt und hatte mich beim nächsten Totalstillstand auf ihren Beifahrersitz eingeladen.
Woher sollte ich denn wissen, dass ein kleiner Fisch in der Farbe des Regenbogens keine homosexuelle Mitarbeiterin von Nordsee sichtbar machte?
Spätestens wenn ich bei dieser Erinnerung ankomme, beschließe ich, keinen eigenen Aufkleber anzubringen und mich daran zu erfreuen, dass Elvis unter einem Scheibenwischer lebt, Jesus auf einer Stoßstange kommt und Gott mich meist auf Kleinwagen liebt.
Bis zum nächsten Stau.
Möhren durcheinander
Die Liebe traf mich mit voller Wucht in die Kniekehlen. Ich fiel hilflos neben ein Sonderangebotsregal voller Babynahrung und starrte schmerzerfüllt auf ungezuckerten Aprikosenbrei. „Tut mir leid!“, stammelte die Frau, die mich so unsanft zu Boden gezwungen hatte, und zog ihren Einkaufswagen zurück. „Ich habe sie nicht gesehen.“
„Macht nichts“, erwiderte ich glücklich und rieb mir die Beine beim Aufstehen. Sie war mir ehrlich gesagt schon aufgefallen, als ich noch im Nachbarregal nach den geschälten Tomaten für meine Nudelsoße gesucht hatte, aber soweit, dass ich attraktiven Frauen im Supermarkt hinterherlief, war ich auch nach drei Singlejahren noch nicht gekommen. Noch ließ ich in solchen Fällen das Schicksal entscheiden, welches mich allerdings bis zu diesem Moment immer kaltherzig meinen lächerlich kurzen Einkaufszettel ohne irgendwelche Zwischenfälle hatte abarbeiten lassen.
Wir stapelten gemeinsam leicht verlegen die kleinen Gläschen wieder ins Regal und sie betrachtete angewidert ein Glas mit pürierten Möhren. „Mögen Sie Möhren?“, fragte sie mich und drehte dabei das Glas in den Händen, als
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