Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
dich.«
»Eine Geschmacksverirrung, die man ihr gar nicht zutraut«, sagte er. »Also dann, bis in einer Stunde.«
32
Petra klingelte mit einer weißen Papiertüte in der Hand. Sie trug ein marineblaues ärmelloses Seiden-Etuikleid, rote Sandalen mit Absatz, die zu dem Outfit obligatorische Perlenkette und einen Lippenstift, dunkler als der, den sie sonst auflegte.
Robin sagte: »Vom Rendezvous weggezerrt?«
»Die Frau denkt, Gott lenkt … und lacht sich ins Fäustchen.«
Petra bückte sich, um Blanche zu streicheln, die sich prompt auf den Rücken fallen ließ.
Petra sagte: »Wir hatten die Vorspeise schon hinter uns. Das Dessert hab ich mir einpacken lassen.«
Ich sagte: »Kaffee?«
»Möglichst stark, wenn’s geht.«
Ich machte einen kenianischen mit ordentlich Umdrehungen. Robin und Petra setzten sich an den Tisch, und Petra holte zwei Plastikbehälter aus ihrer Tasche. Ein Sortiment von Keksen und vier Stücke Schokokuchen.
Robin sagte: »Das ist ja das reinste Catering.«
»Ich habe für alle was mitgebracht, schließlich stellt ihr der dunklen Seite Heim und Herd zur Verfügung.«
Eine schwere Hand klopfte an die Tür.
Milo stapfte herein, in der Hand eine braune Tüte, die voller Fettflecken und mit Zucker bestäubt war. Er zog eine Grimasse. »Wer hat hier eine Patisserie überfallen?«
Robin schnüffelte in die Luft. »Der letzte der drei Weisen bringt also Churros mit?«
»Ich fand das eine gute Idee.« Sein Blick fiel auf den Schokokuchen.
»Ohne Mehl«, sagte Petra.
»Macht nichts.«
Er legte die Churros weg und hatte bereits ein Stück Kuchen im Mund, ehe seine Schenkel den Stuhl berührten. Blanche trabte herüber und stupste mit der Schnauze seinen Knöchel an. Er sagte: »Ja, ja«, und gewährte ihr ein kurzes Kraulen hinter dem Ohr. Sie schnurrte wie eine Katze. »Ja, noch mal, schon verstanden.«
Robin nahm ihre Tasse und ging auf die Hintertür zu. Blanche folgte ihr. »Viel Glück.«
Niemand bat sie zu bleiben. Alle mögen sie.
Petra sagte: »Dieser falsche Psychologe ist also Hugglers Komplize und gleichzeitig dieser Pitty, der Eccles angeblich verfolgt hat?«
Milo antwortete: »Eine Arbeitsthese, die mir aber ziemlich plausibel erscheint. Er hat eine Identität gestohlen, warum nicht noch eine? Im System ist kein ›Pitty‹ zu finden, es könnte also ein Spitzname sein. Oder Eccles war doch total paranoid, und wir sind auf dem Holzweg.«
Sie wandte sich zu mir. »Wie kam der falsche Doc rüber, als du mit ihm gesprochen hast?«
»Verbindlich, professionell, an der Wand hingen die richtigen Bildchen mit den richtigen Stempeln. Das einzige Mal, dass er aus der Rolle fiel, war, als er sich beschwerte, dass Vita ihn einen Quacksalber genannt hatte. Damals hielt ich das für einen Scherz unter Kollegen.«
»Sieht so aus, als hätte sie recht gehabt. Manchmal frage ich mich, ob diese Stinkstiefel nicht mehr sehen als andere. Vielleicht weil sie ihre Mitmenschen grundsätzlich als Bedrohung betrachten.«
Milo sagte: »Aber schau, was ihnen dieses Talent einbringt.«
»Guter Punkt.« Sie wandte sich zu mir. »Du meinst, Vita wurde getötet, weil sie ihn beleidigt hat?«
Ich nickte. »Rache für ihn, Spaß für Huggler. Die zwei bilden ein System, ihre Krankheitsbilder greifen wie Zahnräder ineinander. Ich bin ziemlich sicher, dass sie selbst keine Ahnung haben, was da eigentlich mit ihnen passiert. Basis ist Hugglers Faszination für menschliche Eingeweide, und nein, ich kann euch nicht sagen, woher die kommt. Es ist ganz normal, dass Kinder sich fragen, wie ihr Körper funktioniert. Bei manchen hält die Neugier so lange an, dass sie sie zum Beruf machen – und Mechaniker, Ingenieure, Wissenschaftler oder Chirurgen werden. Bei einigen wenigen wird das Interesse zur Obsession und geht mit der Sexualität eine unheilvolle Allianz ein.«
Sie sagte: »Nekrophile wie Dahmer, Nilsen, Gein.«
»Sie alle wurden als sonderbare Kinder beschrieben, die aber keine ausgesprochen schreckliche Kindheit durchlebt hatten«, sagte ich. »Dass Huggler mit elf Jahren seine Mutter umgebracht hat, lässt zwar vermuten, dass seine Kindheit weniger gut war. Aber es erklärt noch lange nicht, warum er es getan hat. Aus welchem Grund auch immer gab es in seinem Hirn einen Kurzschluss, und er fing an, das Wühlen in anderer Leute Eingeweiden mit sexueller Befriedigung zu verbinden. Dass er den größten Teil seines Lebens eingesperrt war, macht ihn zu einem idealen Anschauungsobjekt, und ich
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