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Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)

Titel: Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war das Namensschild verschwunden.
    Milo ging durch die Tür und sah sich die Stelle näher an, ehe er mich heranwinkte. Es waren noch Kleberreste zu sehen. Das Schild war erst kürzlich entfernt worden.
    »Shimoff ist einfach zu gut«, sagte er. »Der Mistkerl hat das Gesicht seines Schützlings im Fernsehen gesehen und ist sofort abgetaucht.«
    Er gab die Neuigkeit per Funk durch, sagte, es sei unwahrscheinlich, dass die Verdächtigen noch auftauchten, es sollten aber dennoch vorerst alle auf ihren Posten bleiben. Wir stiegen die Treppe wieder hinunter und suchten auf der Anzeigetafel nach der Hausverwaltung, fanden aber nichts. Eine Verkäuferin in der Dispensing Apothecarie hatte eine Visitenkarte parat.
    Die Firma Nourzadeh Realty fand sich gleich um die Ecke am Camden Drive. Der Name auf der Karte war der des geschäftsführenden Partners, Ali Nourzadeh. Er selbst war nicht da, und so sprach Milo mit einer Sekretärin.
    Zehn Minuten später erschien eine junge Frau in einem roten Kaschmirpullover mit Wasserfallkragen und Glitzersteinchen an Ausschnitt und Ärmelsäumen, schwarzen Leggins und Acht-Zentimeter-Absätzen, in der Hand einen Schlüsselbund, mit dem sich eine ganze Vorstadtsiedlung hätte ausrauben lassen können.
    »Ich bin Donna Nourzadeh. Was gibt’s für ein Problem?«
    Milo ließ seine Karte aufblitzen und deutete auf die Klebereste an der Wand. »Falls Ihre Schilder nicht von allein runterfallen, sieht es so aus, als wäre Ihr Mieter auf und davon.«
    »Mist«, sagte sie. »Sind Sie sicher?«
    »Nein, aber am besten gehen wir mal rein.«
    »Ich weiß nicht, ob ich das darf.«
    »Warum nicht?«
    »Mieter haben Rechte.«
    »Nicht wenn sie abhauen.«
    »Wir wissen nicht, ob das hier der Fall ist.«
    »Wenn wir reingehen, wissen wir es.«
    »Hm.«
    »Donna, wann ist Dr. Shacker hier eingezogen?«
    »Vor sieben Monaten.«
    Kurz bevor er mit seinen falschen Zeugnissen Vita Berlin untersucht hatte. Vielleicht hatte er Well-Start ein Angebot gemacht, dem sie nicht widerstehen konnten.
    Milo sagte: »War er ein guter Mieter?«
    Donna Nourzadeh überlegte. »Er hat sich nie beschwert und seine Miete für sechs Monate im Voraus bezahlt.«
    »Wie viel war das?«
    »Vierundzwanzigtausend.«
    Milo beäugte die Schlüssel.
    Donna Nourzadeh fragte: »Hat er etwas angestellt?«
    »Höchstwahrscheinlich.«
    »Brauchen Sie keinen Durchsuchungsbeschluss?«
    »Wie gesagt, wenn Dr. Shacker ausgezogen ist, ohne Sie davon offiziell in Kenntnis zu setzen, sind Sie für die Räume zuständig. Dann brauche ich nichts weiter als Ihre Erlaubnis.«
    »Hm.«
    »Rufen Sie Ihren Chef an«, sagte Milo. »Bitte.«
    Sie folgte seiner Bitte, sagte etwas in Farsi, suchte einen Schlüssel aus und bewegte sich auf das Schloss zu. Milo hielt sie auf, indem er seinen dicken Zeigefinger auf ihr schmales Handgelenk legte. »Das mache besser ich.«
    »Und was soll ich in der Zwischenzeit tun?«
    »Was immer Sie wollen.«
    Er nahm den Schlüssel, und sie entfernte sich eilends.
    Das kleine weiße Wartezimmer sah noch genauso aus wie beim letzten Mal. Dasselbe Stühle-Trio, dieselben Zeitschriften.
    Die gleiche New-Age-Musik, eine Art digitales Mundharmonika-Solo in Minimallautstärke.
    An der Tafel mit den zwei Lämpchen brannte das rote Licht. Laufende Sitzung.
    Milo holte seine 9mm heraus, ging auf die Tür zum hinteren Büro zu und klopfte.
    Keine Antwort. Er klopfte erneut und griff dann zum Türknauf, der sich quietschend drehte.
    Mit einem Schritt zur linken Seite der Tür rief er: »Doktor?«
    Keine Antwort.
    Lauter: »Dr. Shacker?«
    Aus dem Lautsprecher drang jetzt eine Flöte, ein näselndes Arpeggio mit dem feinen Tremolo einer menschlichen Stimme.
    Einer traurigen menschlichen Stimme, die zu jammern und zu klagen schien.
    Milo schob die Tür mit dem Fuß ein paar Zentimeter weiter auf und wartete. Dann noch einen Zentimeter. Er lugte durch den Spalt.
    Kirschgroße Pickel sprossen an seinem Kinn. Seine Zähne schlugen aufeinander, als er die Waffe wegsteckte.
    Er winkte mich zu sich.

34
    Die Vorhänge an dem Fenster zum Bedford Drive hinaus waren zugezogen. Neonlicht von einer Schreibtischlampe tauchte die hellblauen Wände in graublauen Schimmer.
    Der Nussbaumtisch war leer. Die Urkunden hingen noch an der Wand.
    Er brauchte sie nicht mehr, nachdem er in eine neue Rolle geschlüpft war.
    In dem reduzierten Licht wirkte der kubistische Druck mit Obst und Brot billig und farblos. Die skandinavischen Stühle standen eng

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