Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
sagte Petra: »Vielleicht bin ich ja auch eines Tages ein Luuu tenant.«
»Also das«, erwiderte Milo, »ist ungefähr so, als würdest du dir Falten wünschen.«
Um 6:00 Uhr am nächsten Morgen befanden sich acht Personen vor dem Bürogebäude am Bedford Drive, um einen Mann zu beschatten, der sich als Dr. Bernhard Shacker ausgab. Die City von Beverly Hills erwachte gähnend zum Leben, und das Tageslicht rührte sich als Vanilleschlieren in den grauseidenen Himmel. Lieferwagen dröhnten vorbei. Doch abgesehen von vereinzelten Joggern und Frühaufstehern, die ihren Tagesrhythmus den Eingeweiden ihrer flauschigen Vierbeiner unterworfen hatten, waren die Gehsteige leer.
Die Kollegen aus Beverly Hills kannten das Gebäude. Probleme hatte es hier noch nie gegeben, außer einmal vor drei Jahren, als ein Schönheitschirurg und seine Frau wegen häuslicher Gewalt vor die Tür gesetzt worden waren.
»Sie sind im Wartezimmer aufeinander losgegangen«, erzählte Detective Roland Munoz. »Und die ganzen magersüchtigen Weiber mit geflickten Gesichtern, die da saßen, bekamen allesamt einen Nervenzusammenbruch.«
Nach einer Stunde Observation erschien der Verwalter und schloss die Messingeingangstüren auf. Die Mieter hatten Schlüssel und Zugangscode, konnten also kommen und gehen, wann sie wollten. Seit gestern Abend neun Uhr war niemand mehr aufgetaucht. Munoz und Detective Richard Eaton hatten Überstunden angesammelt und die letzten abgearbeiteten Heilberufler herauskommen sehen; Shacker war nicht darunter gewesen. Streifenwagen, die zwischen gestern Abend neun Uhr und heute Morgen stündlich vorbeigefahren waren, hatten keinerlei Bewegung im oder am Gebäude bemerkt. Das war noch keine hundertprozentige Gewissheit, aber es bestand ein begründeter Anlass zur Hoffnung, dass der Identitätsdieb noch auftauchen würde.
Die rückwärtige Tür des Hauses, die ebenfalls nur über einen Zugangscode zu öffnen war, wurde von Sean Binchy überwacht, der am Steuer eines geliehenen Con-Edison- Transporters saß, in Begleitung von Munoz, dessen gute Laune noch rosiger war, weil ihm jeder Außeneinsatz lieber war als die Anrufe hysterischer reicher Leute, die vermeintliche Einbrüche meldeten – oder vermisste Katzen. Letzte Woche hatte eine Frau aus dem North Linden Drive wegen »Melissa« die Notrufnummer gewählt. Und sie hatte geklungen, als ginge es um einen Menschen in höchster Not und nicht um eine Angorakatze, die auf einem Baum festsaß.
Das Gebäude verfügte nicht über eigene Stellplätze, doch die Ärzte und ihr Personal konnten vergünstigt zwei Häuser weiter auf einem Privatparkplatz parken, der um 6:30 Uhr öffnete. Um diese frühe Tageszeit waren noch jede Menge freie Lücken am Straßenrand, nur sieben Fahrzeuge hatten die Chance genutzt. Milo ließ die Halter überprüfen. Es war nichts Interessantes dabei.
Er und ich saßen auf der östlichen Seite des Bedford Drive, zwanzig Meter von den Messingtüren entfernt, in einem silbernen Mercedes 500 mit geschwärzten Scheiben, den er aus dem Asservatenschatz des Los Angeles PD geliehen hatte. Der vormalige Besitzer war ein Ecstasy-Dealer aus Torrance gewesen. Die Sitze waren mit seidig-glattem Kalbsleder bezogen, die Verzierungen aus poliertem Edelstahl, der weiße Himmel und die passenden Fußmatten makellos und ohne jeden Fussel. Es roch stark nach Shampoo, vermischt mit dem Geruch nach in Honig gerösteten Erdnüssen.
Milo hatte mich angewiesen, mich »Beverly-Hills-mäßig« anzuziehen.
»Soll heißen?«
»Wirf dich in Schale, damit du unter den Blendern nicht auffällst.«
Das Beste, was mir dazu einfiel, waren Jeans und ein grauer Wollpullover mit dem Etikett eines italienischen Designers. Den Pulli hatte ich vor zehn Jahren von meiner Schwester geschenkt bekommen, die ich nie sah. Mit dem Namen anderer Leute auf meiner Kleidung kam ich mir immer wie ein Hochstapler vor; es war das erste Mal, dass ich den Pulli trug.
Milos Kostüm bestand aus einem königsblauen Nicki-Jogginganzug, durchwirkt mit breitem Silberlamé, das aussah wie Rinnsale aus Quecksilber. Auf den Ärmeln und an einem Oberschenkel prangte überdimensional groß das Logo des Designers, irgendein Hiphop-Künstler, von dem ich noch nie gehört hatte. Das Outfit war selbst für ihn viel zu groß und warf überall Falten, Knitter und Wülste, die einen Shar-Pei neidisch gemacht hätten.
Ich hielt mich normalerweise zurück, aber diesmal konnte ich mir einen Kommentar nicht verkneifen:
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