Rachenacht: Ein Alex-Delaware-Roman (German Edition)
Windschutzscheibe.
Der Portier beobachtete uns durch dichten Tabakrauch. Als wir näher kamen, trat er vor die Tür und verschränkte seine Arme vor der Brust.
Milo sagte: »Das ist nicht Ihr Ernst.«
»Hä?«
»Ein Profi wie Sie müsste das doch drei Meilen gegen den Wind riechen.«
»Was?«
»Wir verkaufen keine Katheter, Marshal Dillon.« Und draußen war die Dienstmarke. Der Wachmann bewegte sich nur so weit zur Seite, dass wir durch die Tür passten.
»Blitzmerker«, sagte Milo, und wir schoben uns an ihm vorbei.
Der Wartebereich war hell, aber muffig, und es gab keine Sitzgelegenheiten. Auf den Gesichtern wetteiferten Verzweiflung und Langeweile um die Vorherrschaft. Überall Rollstühle, Rollatoren, Sauerstoffflaschen. Alle, die körperlich unversehrt aussahen, schienen ein psychisches Problem zu haben. Eine Freakshow.
Am Anmeldeschalter stand rund ein Dutzend Leute an. Milo schob sich vorbei und klopfte an die Scheibe. Die Frau auf der anderen Seite klapperte unbeirrt weiter auf ihrer Tastatur.
Er klopfte erneut.
Ihre Augen blieben an den Tasten haften.
Als er es zum dritten Mal mit dem Klopftrick versuchte, fauchte sie: »Warten Sie gefälligst, bis Sie dran sind!« Durch den Lautsprecher klang ihre Stimme metallisch und abweisend. Vielleicht lag es aber auch an ihr selbst.
Milo klopfte so fest, dass die Scheibe vibrierte, und die Frau rollte ihren Stuhl zurück und setzte mit gefletschten Zähnen zum Angriff an. Der Anblick der Dienstmarke ließ sie schlagartig verstummen, und sie ließ ihren Unmut an einem Knopf unter ihrem Tisch aus. Am anderen Ende des Wartebereichs öffnete sich mit lautem Klicken eine Tür.
Jemand sagte: »Wieso wird der einfach vorgelassen?«
Milo sagte: »Weil gutaussehende Typen immer im Vorteil sind.«
Auf der anderen Seite der Tür wartete ein weiterer großer, aber freundlicher Wachmann. Hinter ihm erstreckte sich ein trostlos beiger Flur mit Türen im gleichen Farbton. Der PVC -Boden und die Kunststoffschilder, die den Patienten den Weg in »Untersuchung 1«, »Untersuchung 2« wiesen, waren von dem gleichen faden gelblichen Weiß wie die Gesichter der Menschen. Willkommen auf dem Planeten der Teiglinge.
»Polizei, wieso?«, sagte der Wachmann.
»Ich muss Dr. Glenda Usfel-Parnells Chef sprechen.«
Die Lippen des Wachmanns bewegten sich bei dem Versuch, den Bindestrich-Namen nachzusprechen.
Milo sagte: »Nennen Sie mir den Leiter der nuklearmedizinischen Abteilung.«
Der Wachmann griff in seine Tasche und förderte ein zerknittertes Blatt Papier zutage, das er beäugte. »Ähm … das ist … Usfel, G.«
»Jetzt nicht mehr. Wer ist Dr. Usfels Vorgesetzter?«
»Weiß ich nicht.«
»Wie lange arbeiten Sie schon hier?«
»Morgen sind es drei Wochen.«
»Kennen Sie Dr. Usfel?«
»Man sieht die Ärzte kaum, die gehen immer da rein und raus.« Er deutete auf eine Tür am anderen Ende des Flurs.
»Wer ist hier der Big Boss?«
»Das dürfte Mr. Ostrovine sein.«
»Den dürften Sie uns jetzt bitte holen.«
Der Mann, der durch die Tür gestürmt kam, trug einen zu engen grauen Anzug aus undefinierbarem Stoff, ein blaues Hemd mit steifem Kragen und eine rosa Krawatte, die nie eine Seidenraupe gesehen hatte. Mit hochwertigeren Materialien hätte das Outfit allenfalls geckenhaft gewirkt. So aber war es hoffnungslos daneben.
Das Gleiche galt für sein süßlich-schweres Aftershave, seine furchterregend getönte Haut und das absolut unterirdische Toupet. »Mick Ostrovine. Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Wir sind wegen Dr. Usfel hier.«
»Was ist mit ihr?«
»Sie ist verstorben.«
Ostrovines Spraybräune passte sich dem Fahlbeige der Umgebung an. »Glenda? Sie hatte gestern eine Doppelschicht, da ging es ihr noch gut, was ist passiert?«
»Jemand ist in ihr Haus eingebrochen und hat sie ermordet.«
»Oh mein Gott, das ist Wahnsinn. Bei ihr zu Hause? Raubmord?«
»Wir ermitteln noch, Mr. Ostrovine.«
Eine Tür in der Nähe öffnete sich, lautlos wie die Kiemenspalten eines Hais. Eine beleibte Frau im Schwesternkittel kam auf uns zu, vor sich einen Rollstuhl mit einem alten Mann, in eine Decke gewickelt, kahlköpfig, mit blau geäderter Haut, eingefallen, offensichtlich kaum bei Bewusstsein.
»Hallo, Dr. Ostrovine«, sagte sie. »Die Tests sind alle durch, ich bring ihn jetzt zur Physio, damit er seine Übung machen kann.«
»Ja, ja«, sagte Ostrovine.
Sein knapper Ton ließ sie stutzen. Während sie den Alten vorbeirollte, spuckte einer der anderen
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