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Rachesommer

Rachesommer

Titel: Rachesommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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in der Anstalt nie etwas angetan worden war. Warum sonst hätte sie so etwas schreiben sollen, kurz bevor sie sich das Leben nahm … oder bevor der Mörder sie in ihrem Zimmer besuchte?
    Natascha wollte mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit gehen, doch der Killer war ihr zuvorgekommen. Ihre einzige Chance, eine Botschaft zu hinterlassen, hatte darin bestanden, einen kleinen Zettel in ihrem Slip zu verstecken. Nur ein paar Zeilen, für mehr hatte die Zeit nicht gereicht. Mit dieser Annahme stand oder fiel seine gesamte Mordtheorie.
    Als sie den Hintereingang der Anstalt erreichten, läutete sein Handy. Meikes Nummer erschien auf dem Display. Möglicherweise hatte sie einen ersten Hinweis gefunden.
    »Entschuldigen Sie mich bitte.« Er wandte sich ab. »Was hast du für mich?«
    »Die Tote war keine Jungfrau mehr.«
    Wie auch - Natascha war mit neun Jahren zum ersten Mal sexuell missbraucht worden. »Weiß ich bereits. Weiter!« Er spürte förmlich, dass er mit dem Abschiedsbrief auf der richtigen Spur war.
    »Ich habe einen Abstrich gemacht. Sie wurde nicht vergewaltigt. Keine Verletzung der Vagina, keine Spuren von Sperma.«
    Das war genau die Antwort, die er nicht hören wollte.
    »Und abgesehen davon« - Meikes Stimme veränderte sich, und er ahnte, dass seine Theorie gleich wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen würde - »hatte sie seit mindestens acht Wochen keinen ungeschützten Geschlechtsverkehr mehr.«
     
    15
     
    Am Abend saß Evelyn Meyers im Gastgarten des Andante in der Wiener Innenstadt und starrte auf das Blumenmuster des Tischtuchs. Zunächst hörte sie die Frage des Kellners nicht, doch dann winkte sie ab. Diesmal hatte sie keine Lust auf Meeresfrüchtesalat mit Riesengarnelen. Er erinnerte sie an Holobeck. Sie wollte nur hier sitzen und warten. Ihr Freund Patrick hatte versprochen, so schnell wie möglich zu kommen.
    Wieder dachte sie an Peter Holobeck. Der schwule Anwalt, schmächtig, grauhaarig, selbstironisch, aber schlagfertig wie ein Showmoderator. Er hatte ihr alle Tricks beigebracht, die man als Jurist kennen musste, bevor man zum ersten Mal in den Ring stieg. Sie konnte es immer noch nicht glauben … Ihr Chef, Krager, hatte es von der Kripo erfahren, noch bevor die Meldung in den Radionachrichten kam. Angeblich war Holobeck, kurz nachdem sie mit ihm telefoniert und jemand an seiner Tür geläutet hatte, bei einem Unfall gestorben. Mehr wusste sie nicht. Die Kripo hatte eine Nachrichtensperre verhängt, und Krager war zum Sitz der Bundespolizeidirektion auf die Rossauer Lände gebeten worden.
    »Hallo, Spitzmausigel!«
    Evelyn fuhr hoch. »Nenn mich nicht so.«
    »Ooohh.« Patrick verzog das Gesicht. »Der Igel fährt die Stacheln aus!«
    Wenn man ihn so sah, glaubte man nicht, einen Privatdetektiv vor sich zu haben, sondern eher ein Model für eine Aftershave-Werbung. Braungebrannt, Jeans, schwarzes, eng geschnittenes Hemd, die obersten Knöpfe offen.
    Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, setzte sich an den Tisch und bestellte eine Cola light. »Was ist der Unterschied zwischen einem Anwalt und einem Vampir?« Wie immer legte er gleich los.
    »Bitte, Patrick«, unterbrach sie ihn. »Nicht heute, ich …«
    »Der Vampir saugt nur nachts Blut.« Patrick grinste.
    Sie sah ihn ernst an.
    Sein Grinsen erstarb. »Okay, was ist passiert?«
    Sie erzählte ihm vom Tod des Kinderarztes, der im Kanalschacht ertrunken war, dem Porsche, dem Besuch im Entrez-Nous und wie sie die Witwe des Arztes dazu gebracht hatte, die Klage zurückzuziehen. Dann beschrieb sie, wie sie das Mädchen auf den Fotos der Geldautomatenkamera entdeckt hatte. Patrick nickte. Immerhin hatte er ihr die Bilder gemailt, an die er über seinen Draht zur Kripo gekommen war.
    Sie erzählte von ihrer Vermutung, das Mädchen von einem anderen Fall zu kennen, und erwähnte schließlich den Airbag-Fall ihres Kollegen Holobeck, das merkwürdige Telefonat mit ihm und die Nachricht von seinem Tod.
    Patrick hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, ohne sie zu unterbrechen. Nachdem sie geendet hatte, schwieg er eine Weile.
    »Dein Kollege ist tot, das tut mir leid.«
    Evelyn wusste, dass er es nicht bloß so dahersagte. Immerhin kannte er Holobeck von früher und wusste, was er ihr bedeutet hatte.
    Patrick griff nach ihrer Hand. Diesmal zuckte sie nicht zurück. »Und du glaubst, dieses Mädchen auf dem Foto und die junge Frau aus dem Cafe in Bad Reichenhall sind ein und dieselbe Person?«
    »Es ist ein Bauchgefühl - seit einigen

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