Rachespiel
nervös aussah. Der erste Streifenpolizist am Tatort hatte nun Verstärkung von seinen Vorgesetzten bekommen, die prompt noch weniger erfreut wirkten als er. Jo kannte sie beide. Der Superintendent von Dalkey hieß Reg mit Vornamen. Er war eigentlich ganz in Ordnung, obwohl es sie misstrauisch machte, dass er in voller Uniform erschienen war, inklusive Mütze. Wenn er sich die Zeit genommen hatte, sich umzuziehen, hatte er schätzungsweise mehr In teresse daran, im Fernsehen aufzutreten, als den Mord aufzuklären.
»Hör mal, Jo, anscheinend gibt es hier unten auch eine Toilette, die du hättest benutzen können«, sagte Sexton.
Jo nickte ihm dankbar zu. »Na, dann weiß ich es fürs nächste Mal.« Mit einem Blick zu Cox sagte sie: »Wir sprechen uns noch.«
»Nur über meine Leiche«, murmelte Reg. »Sie überschreiten ohnehin schon Ihre Kompetenzen – Sie haben hier überhaupt nichts verloren.«
Jo drehte sich mit ihrem Killer-Lächeln zu ihm um. »Sie benehmen sich, als wäre der Fall schon gelöst. Gilt nicht jeder als unschuldig, bis das Gegenteil bewiesen ist?« Sie sah noch einmal zu Jeff Cox hin, der ihren Blick nachdenklich erwiderte.
Draußen vorm Haus bat sie Sexton: »Könntest du gleich mal zur Bank der Cox’ fahren? Ich brauche ihre Auszüge, die Kontenbewegungen, und zwar bevor Jeff und sein Anwalt alles umorganisieren.«
Das würde ihr helfen, die Lage einzuschätzen, in welchem Umfang Jeff Cox vom Tod seiner Frau profitierte. Sie konnte den Zustand einer Beziehung daran ablesen, wie ein Paar sein Geld ausgab; die Ausgaben verschafften ihr einen Überblick über die alltägliche Lebensführung, die Freizeitaktivitäten und Stammlokale. Sie konnte erkennen, was sie antrieb. Hatten die Cox’ einen Dauerauftrag zur Ernährung eines Waisenkindes in Malawi, oder wollten sie eines bei sich aufnehmen? Gingen sie zum Essen aus? Und falls ja, speisten sie allein oder zu zweit? War das Geschäft solvent?
Die Konten würden auch zeigen, ob Jeff des Geldes wegen bei seiner Frau geblieben war. Wenn Imogen Cox ein Kontrollfreak war und ihr Mann eine Affäre mit einer der begehrenswertesten Frauen des Landes hatte, musste das zu einer Menge Spannungen im Haus geführt haben.
»Warum gehst du nicht selbst?«, fragte Sexton.
Jo verdrehte die Augen zum Himmel. »Hör mal, ich weiß, dass du im Moment nicht ganz auf der Höhe bist, und es tut mir leid, dass Maura getan hat, was sie getan hat. Aber wir haben einen kleinen Jungen da draußen, der früh im Grab enden könnte, wenn wir diese Sache nicht in den Griff kriegen. Ich fahre jetzt sofort zurück zum Revier, um Dan einen Vortrag zu halten und die nötigen Mittel bewilligt zu bekommen. Was ich von dir möchte, ist, dass du nach irgendwelchen kürzlich abgeschlossenen Lebensversicherungen oder außergewöhnlichen Barabhebungen forschst. Falls Jeff Cox seine Frau tatsächlich ermordet hat, gibt uns das schon mal einen Ansatzpunkt. Kriegst du das hin?«
Er nickte. »Meinst du, er war es?«
»Auch wenn der Anschein gegen ihn spricht, sagt mir mein Bauchgefühl, dass er’s nicht war«, antwortete Jo. »Aber er lügt wie gedruckt, und ich will wissen, warum.«
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Barry »King Krud« Roberts sniffte ein Gramm vom Spülkasten im Klo der Sporthalle herunter. Drei Lines. Nicht genug, um ihn in Partystimmung zu bringen, aber genug, um die drei Gramm, die er heute schon intus hatte, aufzustocken und sich wieder wie er selbst zu fühlen. Seine Nase fing an zu kribbeln. Sehr gut, sie hatten es mit Lidocain verschnitten, einem von Zahnärzten verwendeten Narkosemittel, wie er es ihnen aufgetragen hatte. Das letzte Mal hatten die Deppen doch glatt versucht zu pfuschen, indem sie Laktose nahmen. Er war an die Decke gegangen, als er das rausgekriegt hatte. Wenn man Lidocain untermischte, führten die Kunden den Kick auf das Koks zurück, sodass der King leicht vertuschen konnte, wie stark er den Stoff streckte, um mehr Profit zu machen. Er hatte zwei Zahnärzte an Bord geholt, die das Lidocain für ihn besorgten. Es war nicht schwer, Akademiker anzuheuern. Leute, die studiert hatten, schienen zu glauben, dass sie ein Anrecht auf einen verschwenderischen Lebensstil hatten, bloß weil sie nicht jeden Tag mit einem Kanarienvogel im Käfig in die Grube einfuhren. Der King ließ immer sein Geld für sich sprechen. Er hatte einen Buchhalter, der die Bücher frisierte und ihm das Criminal Assets Bureau, das Vermögen von verdächtigen Kriminellen beschlagnahmen durfte,
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