Rachespiel
nimmt, wenn er arbeitet.«
»An dem Abend von Presleys Entführung ist ein Motorrad an der Tankstelle aufgetaucht«, sagte Jo und nahm ihr Handy heraus. »Ich bin noch nicht dazu gekommen, das Kennzeichen durchzugeben, aber ich wette mit dir um jeden Preis, dass es auf Murray Lawlor zugelassen ist.« Sie zwinkerte ihm zu, während sie darauf wartete, dass die Verbindung zustande kam. »Tja, sieht so aus, als müsste ich mich bei dir entschuldigen. Trotz der Sache hier« – sie deutete auf den Vernehmungsraum – »hast du deinen Nachmittag und Abend gestern doch sehr sinnvoll verbracht. Was du herausgefunden hast, könnte ein entscheidender neuer Hinweis sein.« Sie wuschelte ihm durch die Haare. »Nicht schlecht, Herr Specht.«
Er grinste, und sie sah etwas von dem alten, jungenhaften Sexton aufblitzen. Dann bat sie den diensthabenden Sergeant am Empfang, das polizeiliche Kennzeichen des Motorrads, das sie von ihrem Tankstellen-Diagramm ablas, in die Datei einzugeben.
Sie nickte, als der Sergeant bestätigte, dass Murray Lawlor als Halter des Motorrads gemeldet war, dankte ihm und legte auf.
»Dann müssen wir Murray wohl mal einen kleinen Besuch abstatten«, sagte sie. »Er steckt bis zum Hals mit drin.«
»Okay, bring mich auf den neuesten Stand«, forderte Sexton sie auf.
»Ich habe jede Menge Koks und einen Peilsender in Taras Auto gefunden. Die Drogen sollten genügen, um dich f ürs Erste rauszupauken, oder dir zumindest genug Zeit verschaffen, bis ein paar Tests durchgeführt wurden«, sagte Jo. »Jede Wette, die Analyse des Stoffs ergibt, dass er in Reinheit und Beschaffenheit dem entspricht, was Tara sich gestern Abend reingezogen hat. Allem Anschein nach hat Murray dafür gesorgt, dass er zu jedem Zeitpunkt genau wusste, wo Tara sich aufhielt. Und zwar nicht nur wegen Jeff Cox. Jeff ist nur ein kleiner Fisch. Murray ist es vor allem um die Ladung hinten in ihrem Wagen gegangen. Wir müssen herausfinden, für wen er gearbeitet hat. Also sieh zu, dass du schnell aus dem Schlamassel hier, in den du dich reingeritten hast, wieder herauskommst, denn ich werde heute Nachmittag eine Fallkonferenz auf dem Revier einberufen und will dich in meinem Team haben.« Sie strich ihr Kostüm glatt. »Aber zunächst mal habe ich ein paar Fragen an Blaise Stanley.«
39
Blaise Stanley biss gerade herzhaft in ein Brötchen, als Jo einem Oberkellner eine kleine Treppe hinunter in einen der Gasträume des Restaurants Patrick Guilbaud folgte, in dem einige der namhaftesten Maler des Landes ausgestellt waren. Sie hatte es abgelehnt, sich die Jacke abnehmen zu lassen, denn sie hatte nicht vor, lange zu bleiben.
Stanley zog seine Serviette aus dem Hemdkragen, tupfte sich die Mundwinkel damit ab und erhob sich, um Jo auf beide Wangen zu küssen. Beim ersten Kuss fühlte sie sich unbehaglich, beim zweiten wie eine Verräterin.
»Nun, wie hält sich Ihr Freund so?«
Jo setzte sich und schüttelte ihre Stoffserviette mit einer knappen Handbewegung aus, um sie über ihren Schoß zu breiten. »Er kommt schon klar. Er ist unschuldig.«
»Welchem Umstand verdanke ich dann dieses Vergnügen?«
»Ich fand es an der Zeit für ein kleines Gespräch unter vier Augen. In der Haushaltslesung gestern war keine Rede von Geldmitteln zur Finanzierung eines Nebenklagerechts für Verbrechensopfer. Das wollten Sie doch voranbringen, um Strafprozesse für die Opfer fairer und erträglicher zu machen, nicht wahr?«
Jo hatte eigene Anwälte für die Opfer mit Stanley ausgehandelt, doch die Bestimmung war bisher noch nicht zustande gekommen.
Stanley nahm die in Leder gebundene Weinkarte zur Hand und studierte sie aufmerksam, wobei Manschettenknöpfe in Form goldener Würfel an seinen gestärkten weißen Manschetten aufblitzten. »Geduld, Birmingham, ich kümmere mich stets um meine Freunde. Das Land ist pleite, falls Sie das noch nicht bemerkt haben, was bedeutet, dass gewisse Projekte langfristig angeschoben werden müssen. Obligationäre, der IWF , Sie haben sicher davon gehört …«
»Wir hatten eine Vereinbarung getroffen«, entgegnete Jo verärgert.
»Wie gesagt, ich kümmere mich stets um meine Freunde. Gefällt Ihnen Ihr neues Büro?«
»Soll heißen?«
»Soll heißen, dass ich mein Bestes für Sie tue, dass Ihre Interessen mir am Herzen liegen.«
Jo schüttelte den Kopf. »Erklären Sie mir, was da läuft.«
»Immer mit der Ruhe, Birmingham. Ich muss Sie ja wohl nicht daran erinnern, dass Ihre Kampagne zur Stärkung von
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