Rachespiel
vergewaltigt worden sei, bedurften noch der Bestätigung, erklärte sie. Andere dagegen, wie Presleys Entführung und der Mord an Imogen Cox, waren Tatsachen. Sie ließ nichts aus und versorgte ihre Kollegen mit allen Informationen, einschließlich der Anschuldigungen gegen den Justizminister, auch wenn das bei Dan eine bedenkliche Miene hervorrief. Ein Team war ein Team, fand Jo. Der Umstand, dass ihr innerstädtisches Revier seine Stammkneipe mit vier Tageszeitungen teilte, die ihren Sitz in einem Bürohausblock in der Nähe hatten, sollte nicht zu einer Spaltung zwischen ihnen führen. Sicher, trotz strenger Disziplinarstrafen bei Verstößen gegen die dienstliche Geheimhaltungspflicht war eine gewisse Informationsstreuung im Pub kaum zu vermeiden, besonders an Freitagabenden. Aber sollte eintreten, was Dan anscheinend befürchtete, und die Geschichte an die Presse durchsickern, die daraufhin im Dreck zu wühlen begann, so konnte ihr das nur recht sein. Letztendlich half man ihr dadurch möglicherweise, Dans Job zu retten. Jo beendete ihre Zusammenfassung damit, dem Team deutlich zu machen, dass die Spreu vom Weizen getrennt werden musste, um herauszufinden, wie die verschiedenen Straftaten miteinander in Verbindung standen. Nur so würden sie Presley finden.
Dann legte sie eine DVD mit Bildmaterial von der Überwachungskamera vor dem Revier ein. Sie hatte den Beamten, der die Aufnahmen für sie kopiert hatte, gebeten, sie auf die Stellen von weniger als einer Minute Gesamtdauer zusammenzuschneiden, auf denen eine Gestalt zu sehen war, die eine gepolsterte Versandtasche in den Briefkasten der Wache warf.
Im Gegensatz zu den Aufnahmen von der Tankstelle waren diese hier so unscharf, dass man die Gestalt kaum erkennen konnte, zumal alles in einem trüben Blaugrauton gehalten war.
»Das hier ist die Person, die das Sexvideo überbracht hat«, erläuterte Jo.
Die Zeitangabe unten rechts auf dem Bildschirm lautete 05.10 Uhr.
Es war noch nicht einmal mit Sicherheit festzustellen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelte. Die Gestalt trug einen Dreiviertelmantel von unidentifizierbarer Farbe, nur einige helle Streifen waren zu sehen, die ein großes Karomuster ergaben. Eine tief in die Stirn gezogene Baseballkappe machte es unmöglich, Gesicht oder Haarlänge zu erkennen.
»Das ist alles, was wir haben«, sagte Jo, zum Abschluss kommend, und drückte auf den Ausgabeknopf der DVD . »Gut. Aishling, ich möchte, dass Sie sich heute Nachmittag mit dem Atlantis-Hotel in Marrakesch beschäftigen. Wir brauchen die Gästeliste des Hotels und die Namen aller, die von Freitag- bis Sonntagabend ein- und ausgecheckt haben. Außerdem will ich die Namen aller Passagiere an Bord von Taras Flug nach Marrakesch. Ach ja, und die Gästeanmeldungen von Sonntagabend aus dem Triton-Hotel, okay?«
Aishling nickte, während sie sich Notizen machte.
»D’Arcy, ich weiß, das geht nicht über Nacht, aber ich möchte, dass Sie auf einem Stadtplan die Mobilfunkmasten markieren, bei denen sich Taras Handy eingeloggt hat, damit wir auf diese Weise ungefähr ihre Wege nachvollziehen können. Okay?«
Er zeigte ihr den erhobenen Daumen.
»Und, Lovett, können Sie eine Pressekonferenz für den frühen Abend organisieren? Dazu brauchen wir noch mehr Fotos von Presley, möglichst neueren Datums, wenn Sie welche auftreiben können.«
»Wird uns das nicht unnötig unter Druck setzen?«, erwiderte er. »Wir wollen schließlich nicht, dass die Presse uns diktiert, welchen Hinweisen nachgegangen werden soll, und so die Ermittlungen beeinflusst, oder?«
»Das Risiko müssen wir eingehen«, antwortete Jo entschieden. Sie hoffte, er würde jetzt nicht jede ihrer Anweisungen infrage stellen, denn das wäre zeitraubend und lästig. »Presleys Oma wohnt hier in der Nähe, aber ich nehme an, dass sie zurzeit am Krankenbett ihrer Tochter wacht. Was mich daran erinnert, dass wir Tara Parker Trench so schnell wie möglich auf der Intensivstation unter Polizeischutz stellen müssen.«
Sie machte eine Pause und atmete tief durch. »Okay. Aishling, wenn ich ausländische Frauen zu Prostitutionszwecken ins Land schaffen will, wo besorge ich sie mir?«
Lovett mischte sich ein. »Alle Tageszeitungen bringen doch diese Kleinanzeigen von sogenannten Masseusen, da hat man die freie Auswahl zwischen allen möglichen exotischen Schönheiten und Europäerinnen«, sagte er.
»Aber die Anzeigen sind für die Freier«, entgegnete Jo. »Ich rede davon, wo und
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