Rachewahn: Thriller
rückwärts fährt, setzen wir Anna außer Gefecht. Mit ein wenig Glück wird sie zu diesem Zeitpunkt so weit vom Bus und der Absperrung entfernt sein, dass niemand zu Schaden kommt, wenn der Sprengstoff in die Luft fliegt.“
„ Das ist Ihr Plan?!“, schrie Kortmann. „Sind Sie irre? Das ist völliger Schwachsinn! Das klappt nie! Die Geiselnehmerin wird sich nicht vom Bus weglocken lassen. Und selbst wenn. Sie wird hören, wenn der Bus anfährt und sofort loslaufen. Zeitlich ist das für Sie gar nicht machbar.“
„Wir sehen keine andere Möglichkeit“, erwiderte Tommy. „Entweder versuchen wir das oder wir müssen mit ansehen, wie Anna erst Frost tötet und dann wieder in den Bus steigt.“
„Es muss noch eine Alternative geben.“
„Und zwar?“
„Ich weiß es nicht, aber es muss sie geben!“
Vor dem geistigen Auge konnte Tommy seinen Vorgesetzten hinter dessen Schreibtisch aufspringen sehen. „Ich sage es Ihnen nur ungern, aber uns läuft die Zeit davon, Herr Kortmann. Und bei allem Respekt: Sie sind nicht hier vor Ort. Daher können Sie die Lage nicht korrekt einschätzen. Auf Wiederhören.“
„Korn! Korn!“, brüllte Kortmann noch in den Telefonhörer. Doch der Kommissar hatte bereits aufgelegt. Die Leitung war tot.
36
Ein Tag zuvor
„Mein Name ist Werner Mallon. Ich bin ein entfernter Nachbar der Hortmanns. Und ich möchte mit Ihnen sprechen.“ Mit diesen Worten erschien Werner an der Küchentür. Ein Beamter begleitete ihn.
Nora und Tommy sahen ihn neugierig an. „Haben Sie uns etwas Wichtiges über die Morde mitzuteilen?“
„Wie man es nimmt. Ich kann zwar nichts zu den eigentlichen Taten sagen, aber unter Umständen kann ich Ihnen wertvolle Hintergrundinformationen liefern.“
„Wir sind immer offen für derartige Hinweise“, sagte Tommy, ehe er seinem Kollegen zunickte. Dieser ließ Werner daraufhin in die Küche treten und verschwand anschließend.
„Setzen Sie sich“, forderte Nora Werner auf. „Was können Sie uns Interessantes erzählen?“
„Ich sage Ihnen, dass diese Morde ein Resultat sind.“
„Ein Resultat?“
„Ja. Und zwar aus der Lebensgeschichte von Marks Eltern. Diese beiden Personen sind widerliche, narzisstische Menschen. Dafür mussten nun deren Sohn und dessen Braut büßen.“
„Könnten Sie das etwas erläutern?“
„Albert und Veronika Hortmann besitzen ein Vermögen. Fragen Sie mich nicht, wie die daran gekommen sind. Bestimmt einige dubiose Geschäfte. Aber das eigentlich Schlimme ist, dass sie dieses Geld horten. Wie der Name schon sagt. Sie haben noch nie etwas für meine Stiftung gespendet.“
„Welche Stiftung wäre das?“
„Die ‚Mallon-Hilft-Stiftung’. Bestimmt haben Sie schon davon gehört. Ich sammle Spenden für hungernde Kinder in Afrika. Im letzten Jahr habe ich fast fünfzehntausend Euro zusammenbekommen.“
„Das ist eine ehrenwerte Leistung“, sagte Tommy.
„Ja, das ist es. Aber es könnte noch viel mehr Kohle zusammenkommen, wenn die Hortmanns in ihren Geldbeutel greifen würden. Das machen sie jedoch nicht. Genau aus dem Grund wurden Mark und seine Braut jetzt ermordet.“
„Ich sehe den Zusammenhang nicht ganz“, gab Nora zu.
„Sind Sie denn blind? Es ist doch völlig klar, dass die Hortmanns für ihre Selbstsucht bestraft wurden. Das war unausweichlich.“
„Und wen vermuten Sie hinter der Tat?“
„Eine Person, die sich von dieser Familie große Hilfe erhofft hatte, diese aber nicht bekommen hat.“
„Sie sprechen noch in Rätseln. Haben Sie eine bestimmte Person vor Augen?“
„Nein. Das ist doch wohl Ihre Aufgabe. Ich kann Sie nur auf den richtigen Weg stoßen. Der Rest liegt bei Ihnen.“
„Im Grunde haben Sie also keine Ahnung, was hier genau vor sich gegangen ist?“
„Haben Sie mir gerade etwa nicht zugehört? Ich habe Ihnen alles Nötige auf die Nase gebunden!“
„Eigentlich nicht“, erwiderte Nora.
„Dann scheinen Sie ein Brett vor dem Kopf zu haben. Offensichtlich habe ich meine wertvolle Zeit und Energie verschwendet. Das hat man davon, wenn man sich einmischt. Ich habe noch überlegt, ob ich wirklich zu Ihnen gehen sollte. Jetzt weiß ich es besser. Guten Tag.“ Er stand schon wieder auf und schritt murrend zurück in die Eingangshalle.
Die Ermittler sahen ihm sprachlos hinterher. Sie wussten nicht, wie sie diesen Auftritt einordnen sollten.
„Hat der Mann uns gerade irgendetwas gesagt, das uns weiterbringen könnte?“, vergewisserte Nora sich bei ihrem
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