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Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nirgendwo lagen Splitter und verkohltes Material. Trotzdem gab es die Zeichen von Verwüstung. Umgeworfene Möbel, Vasen, Kissen und Aschenbecher auf dem Boden verstreut. In einer Ecke lag die zerbrochene Bronzefigur einer Balletttänzerin. Dicte unterdrückte den Drang, die Bruchstücke aufzuheben. Sie rückte auch nicht das Bild an der Wand zurecht mit dem Jagdmotiv, das schief hing, als wäre jemand mit voller Wucht dagegengeschleudert worden. Eine Kaffeekanne lag umgekippt auf dem Couchtisch, der Kaffee war bereits eingetrocknet. In einem Käfig am Fenster saß ein Kanarienvogel.
    Dicte trat näher heran. Der Vogel hatte sowohl reichlich Wasser als auch Körner.
    »Das muss hier in den letzten vierundzwanzig Stunden passiert sein.«
    Peter B fuhr mit einem Finger über den Kaffeefleck auf dem Tisch, ohne dadurch etwas zu verwischen.
    »Ja, so in etwa.«
    An einigen Stellen waren die Bücher aus dem Regal gefallen. Es sah nicht aus, als hätte jemand etwas Bestimmtes gesucht, sondern vielmehr so, als wäre ein Ellenbogen mit Absicht gegen eine Bücherstütze gekommen und hätte dadurch einen Wörterregen verursacht. Dicte beugte sich nach unten, während Peter B eine Runde durch die kleine Wohnung drehte.
    »Finger weg«, sagte er. »Nichts anfassen.«
    Sie entdeckte etwas zwischen den Büchern auf dem Boden und hob es hoch. Es war ein Fotoalbum. Sie hockte auf dem Teppich und blätterte es durch. Wenn man von der Kleidung ausging, waren das Aufnahmen der letzten zehn Jahre. Er sah weder eins von Francesca noch von einem ihr bekannten Gesicht. Lauter fremde Menschen starrten sie an. Peter B beugte sich über sie.
    »Das ist er.«
    Er zeigte auf das Foto eines Mannes in einem gelbblauen Trainingsanzug mit einem Ball unter dem Arm. Er war umringt von einer Gruppe von kleinen Jungen, die ebenfalls Trainingsanzüge mit gelben und blauen Streifen anhatten. Er war Ende fünfzig, mittelgroß und muskulös, mit kräftigen Beinen und kurzen Armen. Sein Haar trug er kurzgeschoren, wie beim Militär. Sein Nacken war feist, und es bildeten sich Falten, was man sehr gut sehen konnte, weil er sein Gesicht von der Kamera abgewandt hatte, um einem Jungen zuzulächeln. Er hatte etwas Onkelhaftes. Man erwartete fast, dass er gleich eine Tüte Bonbons auspacken und sie spendieren würde.
    »Die sehen doch ganz fröhlich aus«, sagte sie.
    »Die kennen ihn nicht.«
    »Wo ist er jetzt? Wo hat Cato ihn hingeschleppt? Denn das hier war doch Cato, oder?«
    Er schnupperte, als würde die Luft ihm eine Antwort geben können.
    »Ja, Cato. Ich weiß vielleicht, wo er ist.«
    »Schon wieder die Esche? Da, wo das Titan gewesen ist? Glaubst du wirklich, dass er so berechenbar ist?«
    Er drehte die nächste Seite im Fotoalbum um. Viele fröhliche Menschen. »Die Frage ist, was notwendig, was unumgänglich ist.«
    »Die Erfüllung seines Schicksals? Gerechtigkeit?«
    Er nickte. »Zumindest das, was Cato als Gerechtigkeit empfindet. Und das, was auch die anderen als Gerechtigkeit empfinden würden. Das habe ich bis vor ein paar Jahren auch getan.«
    »Aber dann hast du das aufgegeben?«
    »Ich habe es aufgegeben, weil es keinen anderen Zweck hat, als weiteren Hass zu säen. Aber sosehr ich ihn auch gehasst habe, ich wollte endlich davon frei sein.«
    Sie konnte ihn gut verstehen. Er wollte endlich seinen Frieden haben. In seinem Leben hatte genug Krieg geherrscht.
    Sie warf einen letzten Blick ins Album. Er drehte die nächste Seite um, und darauf strahlten ihnen zwei Gesichter entgegen vor einem Strauß weißer Rosen und rosa Nelken.
    Villy Andersen trug eine rosa Nelke im Knopfloch. »Århus 5.   5.   2000« stand unter dem Foto.
    »Es scheint, dass er noch einmal geheiratet hat«, sagte Peter B.
    Dicte sah von Braut zu Bräutigam. Von dem einen Lächeln zu dem anderen. Die Braut war sehr jung, vielleicht nur halb so alt wie ihr Zukünftiger. Sie hatte ein hübsches, ovales Gesicht, perfekte Zähne und perfekt sitzendes Haar. Irgendetwas an ihr kam Dicte bekannt vor.

KAPITEL 74
    Wagner hatte noch nie ein sterbendes Kind gesehen.
    Das Zimmer hatte nur ein kleines Fenster, das offen stand. Trotzdem schien die Luft still zu stehen. Der Raum war nicht mehr als acht Quadratmeter groß, stand aber ziemlich voll. An der einen Längsseite war ein Krankenhausbett, daneben ein Rollstuhl und ein Toilettenstuhl. Auf einem Beistelltisch lagen diverse Pflegeutensilien: eine Tablettenbox, eingeteilt nach Wochentagen, Windeln, Einmalwaschlappen, ein Stapel

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