Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
mit Daumen und Zeigefinger umfassen konnte.
»Ich erinnere mich nicht mehr so genau, muss ich gestehen, aber ich weiß, dass ich wahnsinnig wütend war.«
»Wegen der Spendengelder?«
»Ach so, das wissen Sie auch schon. Ja. Vier Millionen! Warum durften wir nicht davon profitieren? Mein Sohn zum Beispiel? Ein kleiner Urlaub in der Sonne mit Pfleger und Krankenschwester? Hätte er das nicht verdient?«
Ihre Stimme, die zuvor so dünn und zerbrechlich gewesen war, nahm an Kraft zu, je größer ihre Empörung wurde. »Oder eine andere Wohnung, mit Fenstern, damit er rausgucken und etwas Schönes sehen kann? Statt dieser ewigen Gänge zum Amt, wo man jedes Mal wieder erklären muss, an was er erkrankt ist und wie lange er noch zu leben hat.«
Sie schüttelte fassungslos den Kopf.
»Aber nein, mein lieber Freund, das Geld sollte
investiert
werden, nicht wahr? Verdammt, hörte sich diese Adda Boel überzeugend an. Die haben ihr alle aus der Hand gefressen. Das Ziel war, die Pharmaindustrie davon zu überzeugen, neue Forschungen zu betreiben. Als würden die sich auch nur für eine Sekunde für diese Krankheit oder eine der anderen interessieren.«
Sie drückte die Zigarette aus und nahm sich eine neue aus der Packung.
»Aber diese Adda hatte ja auch keine Kinder. Sie musste nicht ihrem eigenen Kind dabei zusehen, wie es jeden Tag mehr zu leiden hatte und Schritt für Schritt seine Bewegungsfreiheit verliert. Erst die Sehkraft. Dann diese Anfälle. Und am Ende … in der Terminalphase, wie sie es nennen …«
Sie hielt Wagner und Hansen mit ihrem Blick fest. Die Verwandlung von zerbrechlich in unerbittlich war beeindruckend.
»Also ja, ich gestehe. Ich habe es getan. Und was haben Sie jetzt vor? Wollen Sie mich in den Knast stecken? Wer passt dannauf Kasper auf? Wollen Sie ein todkrankes Kind von seiner Mutter trennen? … Ich wette, die Presse würde diese Story lieben.«
»Wir glauben nicht, dass Sie die Tat allein begangen haben«, sagte Wagner. »Wir glauben, dass Sie das zusammen mit Cato Nielsen getan haben.
»Cato hatte ein starkes Motiv, seine Informationen an die Mitglieder der Einwandererbande zu verkaufen, um sicherzugehen, dass sie das Solarium und den Wagen von Francesca Olsen mit Bomben in die Luft sprengen. Dieser Plan sollte Ihnen genügend Zeit verschaffen, vor der Detonation in aller Ruhe den Mord an Adda Boel begehen zu können.«
Auf diesen Vorwurf reagierte sie mit Kopfschütteln. Jan Hansen übernahm die Befragung.
»Sie konnten davon ausgehen, dass das Gebäude bereits in Schutt und Asche liegen würde, bevor die Leiche gefunden werden würde.«
»Nein.«
Ihr Blick begann zu flackern. Wagner und Hansen warfen sich einen schnellen Blick zu, bevor Hansen weitermachte.
»Sie wussten, dass man zuerst vermuten würde, dass sie bei der Explosion ums Leben kam, und hofften, dass alle Spuren zerstört sein würden. So war das geplant, habe ich recht? Auf diese Weise gingen die Wünsche von Ihnen beiden in Erfüllung.«
Lange starrte sie durch sie hindurch, dann schließlich zuckte sie mit den Schultern und nickte.
»Darum waren Sie auch unvorsichtig und haben eben diesen Sohlenabdruck hinterlassen, ein Glas angefasst und daran Ihre DNA hinterlassen«, sagte Wagner. »Weil Sie damit gerechnet hatten, dass alles in Stücke gerissen werden würde.«
»Vielleicht, ja«, erwiderte sie gleichgültig.
Ihre Augen inmitten der dünnen, blutunterlaufenen Haut sahen tot aus. Schweigend saß sie da. Aber dann war plötzlich ein Flackern in ihrem Blick zu sehen. Sie schüttelte den Kopf, so dass ihre Haare von einer Seite zur anderen flogen.
»Ihr Bullen. Immer den falschen Fokus. Habt ihr immer noch nicht begriffen, wo das eigentliche Verbrechen stattfindet? Wo die wirklich Schuldigen wohnen? Es hat ausreichend Informationen darüber gegeben, sogar in der Presse …«
Sie sprang auf und trat an eine Schublade. Als sie sich umdrehte, hielt sie einen Zeitungsausschnitt in der Hand, den sie Wagner reichte.
»Bitte sehr und dazu ein kleines Rätsel: Wo ist die Verbindung? Mehr sage ich nicht, und Sie haben das auch nicht von mir, denn ich kenne jemanden, der dann durchdrehen würde und mich an der Wand zerquetscht wie eine Fliege.«
Wagner begann zu lesen. Sally Marianne Andersen streckte Jan Hansen ihre Arme entgegen und sagte mit zuckersüßer Stimme: »Wollen Sie mir nicht die Handschellen anlegen, mein Freund?«
KAPITEL 75
Sie bogen von der Hauptstraße ab und fuhren am Internat vorbei, den
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