Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt

Titel: Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
könnte es gegeben haben? Wer könnte ein Interesse daran gehabt haben, eine junge, schwerbehinderte Frau totzuschlagen? Adda Boel, neunundzwanzig Jahre alt, hatte an einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel, einer unheilbaren Stoffwechselkrankheit gelitten. Dicte hatte sich im Internet schlaugemacht. Es war eine erbliche Krankheit, und bis dato existierte noch keine erfolgreiche Behandlungsmethode. Sie hatte gelesen, dass bei einem gesunden Menschen das Protein Antitrypsin vor allem in der Blutbahn vorkommt und hauptsächlich in der Leber produziert wird. Es beschützt das Lungengewebe und führt bei ausgeprägtem Mangel zur Schädigung desselben. Die Lungenfunktion versagt, und die Patienten sterben in der Regel einen frühzeitigen Tod.
    »Sie wäre doch in jedem Fall gestorben«, warf Dicte ein, während Bo den Ton wieder leiser machte. »Warum wurde sie erwürgt, während sie doch durch die Krankheit langsam erstickt wäre?«
    »Im Affekt?«, schlug Bo vor.
    »Ja, möglich. Ich habe gelesen, dass es in Dänemark nur ungefähr siebenhundert Erkrankte gibt.«
    »Das sind nicht besonders viele.«
    »Beide Elternteile müssen die Erbanlage in sich tragen, aber nur etwa ein Viertel der Nachkommen erkrankt, zwei werdengesunde Träger der Krankheit und der Vierte ist überhaupt nicht betroffen.«
    »Das ist ja wie Lottospielen«, sagte Bo. »Und es gibt keine Medizin dagegen?«
    »Doch, ich bin auf ein paar Artikel gestoßen.«
    Dicte presste den Kaffeebecher dicht an ihren Körper, um die Wärme zu spüren.
    »Ein Mittel, das heißt … Nee, ich kann mich gerade nicht erinnern … in Richtung von Pro-Irgendwas.«
    »These?«, fragte Bo.
    »Wie bitte?«
    »Pro – these?«
    Sie trat mit dem Fuß nach ihm.
    »Du Hohlkopf. Das ist zwar in Dänemark zugelassen, aber die Gesundheitsbehörde oder die Wieauchimmerbehörde will es nicht auf den Markt lassen. Wer weiß auch so genau, ob es tatsächlich wirkt. Also sterben sie alle. Menschen, die an dieser Krankheit leiden, können noch auf eine Lungentransplantation warten, aber die meisten von ihnen sterben. Was für ein Motiv könnte es also geben, sie umzubringen?«
    »Mitleid?«
    Sie ließ sich den Gedanken durch den Kopf gehen. Es war immerhin eine Möglichkeit.
    »Aber man vergewaltigt doch nicht aus Mitleid.«
    »Einige tun das.«
    »Aber keine normalen Menschen.«
    »Was ist schon normal?«
    »Die Explosion kann natürlich ein Ablenkungsmanöver gewesen sein. Der Mörder versucht, seine Spuren zu verwischen, wohl wissend, dass die Leiche bald darauf gefunden wird«, schlug Bo vor.
    In diesem Fall, vermutete Dicte, war der Mörder wahrscheinlich jemand, der Adda Boel und ihren Terminkalender kannte und genau wusste, wann die junge alleinstehende Frau Besuch von Pflegern bekam, die sie ganz bestimmt in Anspruch genommenhatte. Der Betreffende würde genau wissen, dass die Leiche erst nach Stunden gefunden werden würde und er sich dadurch einen gehörigen Vorsprung verschaffen und wichtige Spuren beseitigen konnte. Eine explizitere Untersuchung des Tatorts hätte zum Beispiel ergeben können, ob die Wohnungstür verschlossen gewesen war oder nicht, wenn es die Tür noch geben sollte. Auf der Pressekonferenz hatten sie diese Details nicht erfahren. Im Großen und Ganzen entstand das Bild einer Bombe, die in der Lage gewesen war, entscheidende Spuren zu verwischen und die Aufmerksamkeit der Polizei abzulenken. Aber auch über die Bombe gab es keine neuen Informationen. Sie warteten noch auf die Analyse des Stoffs, mit dem sowohl das Auto als auch das Solarium in die Luft gesprengt worden war.
    »Er ist frei wie ein Vogel«, sagte sie und kroch dichter an Bo heran. »Er hasst Autoritäten. Wo würde er hingehen, wenn er seine Ruhe haben will?«
    »Zum Mond?«, schlug Bo vor.
    »Ry, hast du gesagt? Was gibt es in Ry?«
    »Soweit ich weiß, nur Seen und Wälder. Natur.«
    »Und weiten Himmel? Keine Mauern und keine Decken. Keine Schlösser?«
    Er legte den Kopf in den Nacken und warf sich eine Erdnuss in den Mund.
    »Ja, so was in der Art.«

KAPITEL 24
    »Alexander, wir müssen darüber reden.«
    Wahrscheinlich war der Frühstückstisch nicht der geeignete Ort. Aber wann und wo sonst? Wann hatte man die Gelegenheit, mit einem Fünfzehnjährigen in Kontakt zu kommen, der sich ständig in seinem Kapuzenpulli versteckte und einem nicht in die Augen sah? Praktisch nie.
    Wagner versuchte, seinen Gesichtsausdruck abzumildern, damit sein Sohn sich nicht völlig in sich zurückzog. Aber wie

Weitere Kostenlose Bücher