Rachlust - Dicte Svendsen ermittelt
da, Macht funkelte in ihren Augen.
»Ich wurde gebeten, das zu fragen. Wir hatten in letzter Zeit genug Krisen, wenn du verstehst, was ich meine.«
Sie verstand das ausgezeichnet. Die Mitglieder der Regierung lieferten sich interne und mitunter auch öffentlich ausgetragene Kämpfe, und dem Regierungschef wurden die vielen Auslandsreisen vorgeworfen. Es gab einfach zu viele Konflikte. Und es gab keinen Bedarf für weitere, die zusätzliche Negativschlagzeilen für die Partei in Christiansborg bedeuteten.
»Nichts, was mit Politik zu tun hätte.«
Eva Frandsen bat den Kellner um die Rechnung und sah Francesca fest in die Augen.
»Alles hat mit Politik zu tun.«
KAPITEL 32
»Weiterbildung? In London?«
Hatte sie davon gewusst? Vielleicht. In den letzten Monaten hatte sie Schwierigkeiten gehabt, sich alle Einzelheiten zu merken.
»Ich glaube sogar, dass du dir das in deinen Kalender geschrieben hast«, sagte Bo. »Weißt du, wo meine Tasche ist?«
Diese Tasche war keine gewöhnliche Tasche. Sie war wie ein verbrauchtes Gesicht, das schon viel erlebt und gesehen hatte. Sie war braun und höchst unpraktisch aus Leder, übersät mit Aufklebern und Narben von den verschiedensten Konfliktherden und Ecken der Welt. Außerdem war der Schulterriemen kaputt. Selbstverständlich liebte Bo diese Tasche.
»Im Schrank, rechts, glaube ich.«
Er wühlte im Regal und zog schließlich das Monster heraus. Die Erinnerung an gefährliche Missionen, von denen er in buchstäblich letzter Minute nach Hause gekommen war, schossen ihr in den Kopf bei dem Geruch des Leders. Aus diesem Grund hatte sie die Tasche auch in die hinterste Ecke des Schrankes gestopft, fiel ihr wieder ein.
»Wer kommt denn sonst noch mit? Jemand, den man kennt?«
Sie setzte sich auf die Bettkante. Er würde eine Woche weg sein, aber dieses Mal war es kein gefährlicher Auftrag. Trotzdem machte es sie nicht froh.
Er antwortete nicht sofort, sondern ging ins Badezimmer, um seine Sachen einzupacken.
»Das wird bestimmt stinklangweilig«, rief er von dort. »Du kennst mich doch, nach zwei Stunden auf der Schulbank werde ich nervös.«
»Kommen noch andere von
Avisen
mit?«
Er tauchte wieder im Zimmer auf mit seinem faltbaren Necessaire im Arm, das man an einen Haken im Zelt aufhängen konnte. Bo war nie beim Militär gewesen und war ansonsten ein sehr friedliebender Mensch, aber auf Reisen hatte er eine ausgesprochene Vorliebe für armeeerprobte Ausrüstungen. Er hatte auch keine Probleme damit, in der digitalen Welt von heute das klassische khakifarbene Modell der Fotografenweste mit einer Million unnötiger Taschen anzuziehen. Ein bisschen Macho musste man schon sein dürfen.
»Jens Christian Poulsen von der Auslandsredaktion. Den kennst du doch? Sonst weiß ich keinen.«
»Dann wird es doch bestimmt lustig.«
Sie sagte das, weil sie wusste, dass Poulsen als Erstes die lokalen Kneipen inspizierte und gerne Partys organisierte. Hatte sie wirklich von diesem Fortbildungstermin gewusst? Sie musste das unbedingt in ihrem Kalender überprüfen.
»Hast du Rose angerufen?«
»Noch nicht.«
Sie sah ihm beim Packen zu. Das dauerte nie lange. Währenddessen arbeitete ihr Kopf auf Hochtouren, wie sie Rose dazu bewegen könnte, ihr von Ry und ihrem Treffen mit Peter Boutrup zu erzählen. Parallel dazu meldete sich ihre alte Unruhe wieder zu Wort, und ganz automatisch tauchte das starke Bedürfnis auf, einfach nach der Tablettenbox zu greifen. Das wäre so einfach. Damit könnte sie auch diese Woche ohne Bo überstehen, in der die Einsamkeit sie überfallen würde. Niemand zu Hause. Nur sie, allein mit ihren tausend Gedanken und dem schleichenden Verdacht, dass sie nicht klarkam. Wie hatte es so weit kommen können, dass sie von so wenig in Angst und Schrecken versetzt werden konnte? Oder doch von so viel?
Bo sah sie mit einer Nüchternheit an, die ihr gar nicht gefiel, während er seine Tasche zumachte.
»Mach dich locker. Du wirst das prima schaffen. Du brauchst mich überhaupt nicht.«
Darüber hatten sie schon so oft gesprochen, die ewige Wiederholung tat ihr in den Ohren weh. Ihm musste es genauso gehen.
»Du machst doch ohnehin, was du für richtig hältst«, sagte er und streichelte seine Tasche wie einen guten, alten Freund. »Ganz egal, was ich sage oder mache.«
»Das stimmt doch gar nicht. Ich tue doch das, was du sagst. Ich versuche, ihn zu finden.«
Er nickte freundlich.
»Aber wenn du ihn dann gefunden hast, ist es vorbei. Danngehst du solo
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