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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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»Verzeihung,
sprechen Sie Englisch?« Der Schweiß juckt ihn unterm Arm. Er nimmt all seinen
Mut zusammen und geht auf die verhüllte Frau zu. Aber er kriegt nur ein so
piepsiges Stimmchen hin, dass die Frau ihn nicht hört. Er tippt ihr auf die
Schulter. Sie fährt herum und redet auf Arabisch auf ihn ein. Marktbesucher
drehen sich um, beobachten die Szene. Winston sagt noch einmal: »Verzeihung,
sprechen Sie Englisch?«
    Wieder antwortet sie auf
Arabisch.
    »Also nicht?«
    Noch mehr Arabisch.
    »Das ist ein Problem.«
    Und weiter Arabisch.
    Ein junger Mann mischt sich
stirnrunzelnd ein. »Was hier los? Warum du belästigen sie?«
    »Sie können Englisch - toll.
Nein, nein, es ist nichts. Ich dachte nur, ich könnte sie ein paar Sachen
fragen.«
    »Für wieso?«
    »Alles in Ordnung - ich bin
Journalist.«
    »Du sie anfassen?«
    »Wie? Nein, nein. Ich habe sie
nicht angefasst.«
    »Du sie anfassen!« Der junge
Mann brüllt jetzt und kommt näher.
    »Hab ich nicht, ich schwör's.
Ich möchte sie nur etwas fragen. Für eine Reportage.«
    »Was Frage?«
    »Ist schwer zusammenzufassen.«
    »Aber was ist Frage?«
    Das ist zum Beispiel eine gute
Frage. Denn wonach Winston eigentlich fragen soll oder um welches Thema es
überhaupt geht, hat Snyder ihm nicht gesagt. Er selbst schwadroniert pausenlos
über Terrorismus - vielleicht sollte Winston danach fragen. »Könnten Sie sie
fragen, ob es hier in der Gegend viel Terrorismus gibt? Und wenn ja, wo, also
soweit sie weiß. Und wenn Sie mir das vielleicht auch aufschreiben könnten, am
besten auf Englisch, oder vielleicht mit einer Skizze, also wenn's geht.«
    Die Menge wird unruhig. Die
gerunzelte Stirn des jungen Mannes wird noch runzliger. Ein paar Leute gestikulieren
entrüstet. Die Frau in der Burka wirft die Arme gen Himmel und dreht sich weg.
Winston wischt die beschlagene Brille ab, entschuldigt sich bei der Menge und
läuft zu Snyder, der an einem Stand nebenan noch immer seine Nase in Gewürze
steckt.
    »Was hast du gekriegt?«
    »Sie ist dagegen«, platzt Winston heraus. »Eigentlich
dafür. Aber so irgendwie dagegen.«
    »Okay, und was genau hat sie gesagt?«
    »Ähm, ja, ich glaube ja.«
    »Was?«
    »Ja, doch.«
    »Jetzt mal tief durchatmen,
Kerl. Was hast du sie gefragt?«
    »Terrorismus.«
    »Wie lieb.«
    »Und clash of civilizations und so. Der Hidschab und so
weiter.«
    »Ist das nicht 'ne Burka?«
    »Ja, genau«, sagt Winston.
»Aber sie würde ja lieber bloß einen Hidschab tragen. Bloß, ihr Mann lässt das
nicht zu. Wegen der Taliban.«
    »Taliban? In Ägypten gibt's
keine Taliban.«
    »Als Metapher gesehen. Wegen
der metaphorischen Taliban. Jedenfalls hab ich sie so verstanden.«
    »Das müssen wir noch mal
ventilieren. Schnapp sie dir noch mal.«
    »Ich glaube, sie ist weg.«
    »Die steht gleich nebenan am
Obststand, Kerl.« Snyder schubst Winston vorwärts. »Du willst doch die Stelle,
oder?«
    Gequält pirscht sich Winston
noch einmal an die Frau heran. Die Menge beobachtet auch seinen zweiten Versuch,
ein paar Leute feixen, andere schütteln den Kopf. »Entschuldigen Sie?«, fängt
er an. »Hallo, sorry, Entschuldigung?«
    Sie fährt herum und lässt
wieder eine arabische Tirade los.
    »Was sagt die denn, Kerl?«,
fragt Snyder. »Geht wieder um ihren Mann.«
    »Den Taliban-Typen? Mach mal
Dampf, die soll mehr erzählen.«
    Winston versucht sich zu
erinnern, was er auf dem Flug nach Kairo auf der CD >Einfach zuhören und Arabisch
lernen< durchgenommen hat, und fördert das Wort für »Ehemann« hervor. Er
wirft es ihr hin, als wäre es eine Frage.
    Das stachelt die Menge noch
mehr an.
    Snyder flüstert ihm zu: »Frag
sie, ob sie rummacht. Ob das in islamistischen Kreisen üblich ist.«
    »Das kann ich nicht fragen.«
Winston meint das in jeder Beziehung.
    Die Menge wird größer und
feindseliger.
    »Vielleicht hat sie lesbische
Erfahrungen«, wirft Snyder ein.
    »Aber sie trägt eine Burka.«
    »Und Frauen in Burkas können
wohl ihre sexuelle Orientierung nicht artikulieren, was? Bist du rassistisch.«
    »Ich kann sie so Sachen nicht
fragen.«
    »Islamistische Swinger, das war mal 'ne Hammerstory, Bruder.
Echt preisverdächtiger Stoff.«
    Im selben Augenblick löst sich
der lange, hagere Mann, der ihnen aus dem Cafe gefolgt war, aus der Menge. »Was
wünschen Sie hier zu erreichen?«, fragt er in einwandfreiem Englisch.
    »Ist alles in Ordnung«,
sprudelt Winston, »wir sind Journalisten.«
    »Für wen arbeiten Sie?« Die
Frage geht an Winston, aber

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