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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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der Mann sieht Snyder an.
    »Für die Zeitung«, antwortet
Winston. »Sind Sie auch Journalist?«
    »Ich bin beim
Innenministerium.«
    Jetzt tritt Snyder einen
Schritt vor. »Rieh Snyder, Auslandskorrespondent. Schön, dass Sie da sind. Sie
sprechen ja 'n Hammerenglisch, Mann. Bin total neidisch auf Ihre
Zweisprachigkeit. Wir Amerikaner sollten uns ja schämen. Wie war noch der
Name?«
    »Ich bin beim
Innenministerium«, wiederholt der Mann. Dann bellt er im Befehlston die Menge
an, die sich sofort auflöst, und wendet sich Snyder wieder zu. »Ich schätze Ihr
Gesprächsthema hier gar nicht. Sie möchten über sexuelle Perversion in Ägypten
schreiben. Es gibt in Ägypten keine sexuelle Perversion. Sexuelle Perversion
ist ein westliches Phänomen.«
    »Schön wär's, Bruder.«
    Der Mann vom Ministerium
lächelt dünn. »Suchen Sie sich ein anderes Thema. Etwas Erfreuliches. Etwas
Heiteres über mein Land. Nicht immer diese -«, er zuckt förmlich zurück,»-
Irreführung von Leuten.«
    »Worüber sollte ich denn
lieber schreiben?«
    »Das zu wissen ist ja wohl
Ihre Aufgabe, oder nicht? Ich empfehle Ihnen die gründliche Lektüre der E gyptian G azette . Darin steht manch
vorzüglicher Artikel.«
    »Über Mrs Mubarak als gute
Hausfrau? Sehen Sie mal, wenn ich nicht über Sexpraktiken in Ägypten schreiben
soll, dann müssen Sie mir schon was Besseres anbieten.«
    »Was möchten Sie denn haben?«
    »Das, was jeder will. Das, was
heute im Nahen Osten der Money-Shot ist: Terrorismus.«
    Der Mann vom Ministerium dreht
sich brüsk zu Winston. »Weg mit dem Notebook! Das ist hier off the record!«
    »Ich will die Gamaa
al-Islamiya«, fährt Snyder fort. »Peng-peng in Oberägypten. Ich will was über
die Sicherheitszusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten erfahren. Ich will
Interviews mit Spezialkräften.«
    »Steigen Sie in meinen Wagen.«
    Auf Winston bezieht sich die
Aufforderung ganz offenbar nicht. Er bleibt am Obststand stehen, als die
schwarze Limousine davonrollt.
    Zu spät fällt ihm ein, dass
Snyder den Wohnungsschlüssel hat. Er ruft ihn auf dem Handy an, aber niemand
geht dran. Endlich, kurz vor der Dämmerung, nimmt Snyder ab. »Eh, Mann, wieso
bist du nicht mitgekommen?«
    »Ich wusste nicht, dass ich
auch eingeladen bin.«
    »Versteh dich kaum. Bin auf
dem Militärflughafen.«
    »Wann kommst du zurück? Ich
bin wieder ausgesperrt.«
    »Ich komm schon zurück,
garantiert.«
    »Wann!«
    »Wochenende maximal.«
    »Ich brauche den Schlüssel!«
    »Du lieber Gott, bleib doch
mal locker. Mach dir doch nicht immer so'n Kopf! Mach dir einfach einen Spaß
draus. Hör zu, ich kann in 'ne C-130 in so zwei Stunden oder so. Und du musst
da unbedingt mal was für mich recherchieren.« Er spult Namen und Organisationen
ab.
    »Was ist mit meinem
Schlüssel?«
    »Ruf mich in fünf Minuten noch
mal an.«
    »Du hast auch noch meinen
Laptop.«
    Snyder drückt das Gespräch
weg.
    Die nächsten drei Stunden ruft
Winston alle paar Minuten an, aber Snyders Handy ist abgeschaltet. Winston
bleibt nichts anderes übrig, als Zeina, die Agenturreporterin und seine
Wohnungsgeberin, um einen Ersatzschlüssel zu bitten. Er besteht darauf, sie
zwecks Wiedergutmachung auf ein Bier in eine Kneipe um die Ecke einzuladen.
     
    Zeina gibt die Bestellung für
beide in fließendem Arabisch auf, findet einen Tisch und holt auch die beiden
Gläser Sakara-Bier selbst ab. Dann setzt sie sich, streicht ein paar gegelte
Strähnen ihrer schwarzen Haare nach hinten und fragt mit einem listigen
Grinsen: »Und? Gefällt dir Kairo?«
    »Ja klar. Ist wirklich interessant«, sagt Winston.
»Gibt zwar ein paar Sachen zu meckern, aber das ist Kleinkram.«
    »Zum Beispiel?«
    »Nichts Ernstes.«
    »Sag mir ein Beispiel.«
    »Naja, die Luft hier kann man
kaum atmen, bei der ganzen Umweltverschmutzung. Ist irgendwie, als ob man beim
Einatmen direkt vor einem Auspuff hängt. Die Hitze haut mich manchmal fast um.
Und das Essen hier ist nicht besonders genießbar. Oder ich habe vielleicht
bisher immer danebengegriffen. Außerdem ist das hier ein Polizeistaat, was ich
gar nicht mag. Und dann habe ich das Gefühl, die Einheimischen würden mich am
liebsten erschießen. Also, nur, wenn ich mit ihnen reden will. Ich bin
natürlich selber schuld - mein Arabisch ist völlig unbrauchbar. Aber
eigentlich, doch«, schließt er, »ist wirklich interessant.«
    »Und Snyder? Wie findest du den?«
    »Du kennst den?«
    »Na sicher.«
    »Was ich von ihm halte?«
Winston zögert.

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