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Rachmann, Tom

Rachmann, Tom

Titel: Rachmann, Tom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Unperfekten
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»Na ja, ich denke, so oberflächlich gesehen, muss ich zugeben,
kam er mir irgendwie leicht, ähm, ehrgeizig vor. Aber nachdem ich ihn ein
bisschen kennengelernt habe, glaube ich eigentlich eher, er ist -«
    »Noch viel ehrgeiziger?«
    Ungewollt freimütig vollendet
Winston seinen Satz: »- 'n ziemlicher Wichser, wollte ich sagen.« Er wischt seine
Brille trocken. »Sorry. Ich habe dich jetzt nicht beleidigt, nein?«
    »Red keinen Quatsch. Der
gehört nicht zu meinen Freunden«, sagte Zeina. »Woran arbeitet ihr beiden eigentlich
gerade?«
    »Wenn ich das genau wüsste.
Ehrlich gesagt, bis er kam, hatte ich noch nichts geschrieben. Aber ich war
ganz gut vorangekommen. Dachte ich jedenfalls. Ich habe die Stadt ein bisschen
kennengelernt, Arabisch gelernt. Eines Tages hätte ich schon was zustande
gekriegt. Dann ist der hier eingefallen. Hat meinen Laptop geklaut. Der hat so
eine unheimliche Power, der trampelt auf mir rum und gibt mir gleichzeitig das
Gefühl, ich bin ihm verpflichtet. Er macht mir schon auch Mut - erzählt
andauernd, dass ich der Favorit für den Reporterjob hier bin, dass er selbst
null Chancen hat, dass ich ganz klar die erste Wahl bin und so weiter. Aber je
mehr ich mit ihm zu tun habe, desto lächerlicher komme ich mir vor. Ich
verstehe auch nicht, wieso ein Typ mit seiner Erfahrung auf einen Posten als
einfacher Reporter scharf ist.«
    »Irak«, sagt sie. »Snyder will
unbedingt in den Irak. Versucht er schon, seit der Krieg anfing. Hat er dir
erzählt, was er gemacht hat, bevor er nach Kairo gekommen ist?«
    »Irgendwas mit einem Preis?«
    »Er hatte ein Blog über den
Irak. Beziehungsweise darüber, wie er da reinzukommen versuchte. Wie er wieder
umdrehen musste an der Grenze im Iran, in der Türkei, in Syrien, in Jordanien,
in Saudi-Arabien, in Kuwait. Gott sei Dank hat der Irak so viele Grenzen - hat
ihm jede Menge Stoff geliefert. Aber eins muss ich ihm zugutehalten: Er meint
es wirklich ernst. Der Typ ist mehr als nur gutaussehend.«
    »Du findest ihn gutaussehend?«
    »Na ja, er macht schwer auf
Kriegsreporter-Draufgänger. Manche Frauen finden das sexy«, sagt sie. »Und was
den Irak angeht, da hat er ein Problem, weil kein Mensch aus ihm schlau wird.
Die Amerikaner trauen ihm nicht, die Iraner halten ihn für CIA, den Irakis ist
der ganze Typ schlicht umheimlich. Kein Mensch weiß, was er da will ohne
Rückendeckung durch irgendein Medium.«
    »Und wieso kriegt er die
nicht?«
    »Der Typ macht nichts als
Ärger. Der hat ja schon für alle gearbeitet, und irgendwann fängt er an, andere
anzupissen, und fliegt raus«, erzählt Zeina. »Aber lassen wir Snyder mal kurz
beiseite. Sitzt du an irgendwelchen Storys, jetzt, wo er weg ist?«
    »Ich habe ein paar Ideen.«
    »Aber noch nichts im Speicher,
was?«
    »Noch nicht.«
    »Gut. Pass auf, du hast keinen
Laptop, also kommst du zum Arbeiten zu mir ins Büro«, sagt sie. »Ich möchte
dich im Auge behalten.«
     
    Als Winston am nächsten Morgen
bei ihr aufkreuzt, sieht Zeina vom Bildschirm hoch, aber ihre Finger tippen weiter.
»Muss mich noch schnell um das Statement hier kümmern. Setz dich. Bin in zwei
Minuten durch.« Als sie fertig ist, schüttelt sie die Finger locker. »Komm -
ich nehm dich mit zu deiner ersten PK.«
    Schneller gesagt als getan:
Winston hat keine Akkreditierung für Pressekonferenzen und darf nicht mit
durch die Tür zur Arabischen Liga. Zeina legt sich ins Zeug, kriegt ihn aber
nicht hinein. Schließlich schickt sie ihm einen palästinensischen Vizeminister
nach draußen. Der Mann spricht Englisch und erklärt ihm geduldig, was drinnen
vor sich geht. Winston kritzelt wild auf dem Block herum, hat aber nie gelernt,
wie man zitierbare Aussagen notiert, und ist erstaunt, wie schnell gesprochene
Sprache ist: Kaum hat er drei Wörter mitgeschrieben, ist der Satz vorbei, hinkt
sein Stift mühsam hinterher. Dann muss der Vizeminister wieder hinein. »Und was
hast du?«, fragt Zeina.
    Winston blättert in seinen
Notizen, einer Sammlung von lauter Eröffnungsfloskeln - »Wir gehen davon aus,
dass ...« und »Das eigentliche Problem ist ...« und »Sie dürfen eins nicht
vergessen ...«-, gefolgt von unentzifferbaren Krakeln.
    »'n paar ganz brauchbare
Zitate«, behauptet er.
    Sie setzt ihn an einen freien
Computer in ihrem Büro und überlässt ihn dem Schreiben. Er sitzt noch da, als
sie Feierabend macht. »Ruf an, bevor du irgendwas an die Zeitung schickst«,
sagt sie, »ich will's vorher durchgehen.«
    Aber Winston hat

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