Rachmann, Tom
durch.
»Ah«, Snyder lupft eine Braue,
»du kannst Arabisch.«
»Nicht perfekt.« Winston hat
erst vor ein paar Wochen mit dem Lernen angefangen, nachdem er in einem
E-Mail-Austausch mit Menzies von der Reporterstelle in Kairo erfahren hatte.
Davor hatte er in Minnesota Primatologie studiert. Als dann ernsthafte Zweifel
hinsichtlich einer Zukunft in akademischen Gefilden an ihm nagten, hatte er
eine radikale Wende gemacht und war aus dem Forschungsprojekt ausgestiegen, um
auf Auslandskorrespondent umzusatteln.
»Du bist bestimmt der Hammer
in Arabisch«, beharrt Snyder. »Ich weiß noch, als ich damals auf den Philippinen
war, achtziger Jahre, Aquino und so, da hieß es überall, so: >Mensch, du,
Tagalog ist ja sooo schwer<, so. Und ich sofort, redet nich so 'n Scheiß.
Und hab so nach 'n paar Tagen die Miezen auf Tagalog angemacht und all so 'n
Zeug. Nach zwei Tagen war das. Sprachenkönnen wird ja total überschätzt.«
»Dann muss dein Arabisch ja
vorzüglich sein.«
»Ich spreche Fremdsprachen
eigentlich gar nicht mehr«, erläutert Snyder. »Hat mich zu tief reingeritten in
fremde Kulturen, war schon gesundheitsschädlich. Ich red jetzt nur noch
Englisch. Hilft mir, Objektivität zu wahren.« Er kneift Winston in die
Schulter. »Ich brauch dringend Training, Bruder. Wo ist dein Fitnesscenter? Du
hast doch so was hier, oder? Ich steh ja auf Extremsportarten: Ultra-Marathon,
Kite-Surfen, Tennis. Hab immer noch alte Kumpel bei den Tennis-Profis. Die
haben mich ja seinerzeit schwer bekniet, ich soll Profi werden, und ich bloß
so: >Ich muss nix beweisen<.« Er starrt aus dem Fenster und lässt einen
Halsmuskel spielen. »Wo kommst du 'n eigentlich her?«
»Nähe Minneapolis.«
»Mann«, geht Snyder
dazwischen, »ich meine, wo du vorher gearbeitet hast.«
»Ach so, ja, richtig. Ähm,
hauptsächlich frei. Paar Lokalblätter in Minneapolis.« Das ist glatt gelogen:
Das letzte, was Winston geschrieben hat, war ein Referat über ein Experiment,
bei dem Affen die Zeichensprache beigebracht werden sollte (keine gute Idee,
wie sich heraustellte).
Gott sei Dank hat Snyder kein
Interesse an genauen Nachfragen. »Aus wie vielen Ecken hab ich eigentlich bis
jetzt berichtet?«, fängt er wieder an. »Weiß gar nicht mehr. So dreiundsechzig,
oder so? Ich meine, mit all den Ländern, die's gar nicht mehr gibt. Darf man
die mitzählen? Egal. Ist bloß 'ne Zahl. Und du?«
»Nicht so viele.«
»So fünfzig?«
»Zehn vielleicht.« Winston war
nicht mal als Tourist in zehn Ländern gewesen.
»Zehn gegen dreiundsechzig.
Glaube aber kaum, dass die das berücksichtigen bei der Besetzung für die Stelle
hier.« Er feixt.
»Ist das denn eine feste Korrespondentenstelle?
Menzies hat in der E-Mail bloß was von einer freien Mitarbeit geschrieben.«
»Das ist das, was sie dir
erzählt haben?« Er zieht die Nase hoch. »Die Drecksäcke.«
Das Taxi hält vor Winstons
Wohnung in Ez-Zamalek. Snyder steigt auch aus, rollt ein paarmal den Nacken und
joggt auf der Stelle. »Damit das Blut nicht klumpt«, erklärt er. »Nimmst du
meine Tasche? Hah, danke.«
»Wohnst du denn hier in der
Nähe?«
»Will nur mal kurz duschen chez toi, wenn's okay ist.«
»Und dein Hotel?«
»Hör mal, Bruder, ist doch
bloß Wasser - aber wenn du nicht willst, dass ich deine kostbare Dusche
benutze, sag's einfach. Ich hab gerade 'n echt heftigen Flug hinter mir. Aber
egal.«
Der Taxifahrer streckt die
Hand aus.
»Mann, hab grad nur rumänische
Währung«, verkündet Snyder.
Also bezahlt Winston.
Eine Stunde später kommt
Snyder aus dem Badezimmer, mit einem von Winstons Handtüchern um die Hüften. Er
lässt das Handtuch unter sich auf den Teppich gleiten, entblößt dabei kurz
seine buschige Lendengegend und steigt in eine Kampfhose mit Camouflage-Muster.
Winston will sich wegdrehen, ist aber nicht schnell genug und muss zur Strafe
mitansehen, wie Snyder seinen Penis im linken Hosenbein verstaut. »Commando Style«, sagt Snyder, während er den
Stall zuknöpft. »Einzelkämpfermethode ist immer die beste.«
»Ich werd's mir merken.«
»Und«, fährt Snyder fort, »wie
lange wohnst du hier?«
»Ein paar Wochen. Zeina, eine
Frau, die mit mir auf dem College war, arbeitet hier als Agenturreporterin. Ich
habe sie aus dem Verzeichnis der Ehemaligen. Hat mir die Wohnung vermietet, für
kurze Zeit.«
»Internetanschluss hast du?«
»Ja, warum?«
»Muss kurz was checken.« Er
macht es sich an Winstons Laptop gemütlich. Beim Lesen blökt er
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