Rachmann, Tom
L'aubergine.
Snyder kommt zwanzig Minuten
zu spät, ins Handy schnatternd. Er telefoniert auch am Tisch weiter. Endlich,
nach zehn weiteren Minuten, klappt er sein Handy zu. »Geil, dich zu sehen,
Bruder.«
»Kein Problem«, sagt Winston,
obwohl Snyder kein Wort irgendeiner Entschuldigung geäußert hat. »Ich habe
deine Recherche fertig.«
Snyder steckt den Finger in
Winstons Hummus. »Hammerzeit da unten. Hab meine militärischen Wachhunde
abgehängt, so gleich mal am ersten Tag. Mich mit Beduinen getroffen. Die
Mudschas infiltriert. Auf Eseln geritten.
Zuckerrohrfelder.
Hubschrauber. Bunker-Knacker. Madrassen. Trainingscamps von Extremisten.
Hätt'st mal mitkommen sollen.«
»Ich hatte das Gefühl, du
willst da lieber allein hin.«
»Du lieber Gott - soll das 'n
Witz sein? Ich will bloß eins, dass die Reportage rauskommt.«
»Hast du auch Terroristen
getroffen?«
»Aber hallo, Bruder.« Snyder
hält kurz inne. »Nicht hundertpro al-Qaida. Aber die sind weit oben auf der
Warteliste.«
»Muss man sich da bewerben?«
»Aber voll. Da fährt OBL total
drauf ab.«
»Wer ist OBL?«
»Osama«, sagt Snyder. »Den
kenn ich aber nicht so gut. Wir haben uns bloß zweimal so getroffen. In Tora
Bora oben. Tolle Zeit.«
»Und wie ist der so?«
»Groß. Das haut einen am
meisten um. Wenn der nicht die falsche Ausfahrt genommen hätte, 'ne Karriere
als Profisportler war drin gewesen. Ist ja die Tragödie in diesem ganzen
Konflikt - so eine Verschwendung von Talent. Na ja. Was mich bei dem ganzen
Antiterrorkrieg ankotzt, ist die Ignoranz. Versteh mich nicht falsch - ich
lehne Extremismus in jeder Form ab. Ich kann einfach nur bescheiden hoffen,
dass die Leute meine Sachen lesen und vielleicht die Stimme hören, die aus
jedem Artikel schreit.«
»Und was sagt sie, die
Stimme?«
»Ich ess den Rest Hummus auf,
'kay?«
Winston packt drei Mappen auf
den Tisch. »Fast alles, was du von mir haben wolltest. Mit Inhaltsverzeichnis
und Index.«
Snyder isst weiter, ohne
hinzusehen.
Winston nimmt noch einen
Anlauf. »Soll ich dir die hierlassen?«
»Behalt sie, Kumpel. Ich
schenk sie dir.«
»Du willst die Recherche gar
nicht?«
»Liest du die Zeitung nicht,
Kerl? Die Story ist doch längst draußen.«
Winston schluckt die
Nachricht. »Mein Name steht unter einer Story, die ich nicht mal gelesen
habe?«
»Du hast doch gesagt, ich soll
deinen Namen nicht unter meine Story setzen. Hast du mir das nicht gemailt oder
so was?«
»Nein, nie.«
»Doch, hast du. Weil's ja
meine Story ist oder irgend so was Ähnliches.« Er taucht jetzt kampfbombermäßig
die ganze Hand in die Soße von Winstons Aubergine. »Und du? Probierst du's
jetzt weiter als Freier?«
»Naja, ich will weiter auf die
Reporterstelle hier.«
»Für wen?«
»Für die Zeitung.«
»Haben die dir etwa nichts
gesagt? Ist mir schlecht«, sagt Snyder. »Ich bin jetzt so gut wie deren Mann in
Kairo.« Er klappt sein Handy wieder auf und zu, damit es auch wirklich aus
ist. »Entre
nous, ich
mach den Job bloß, um die Zeit totzuschlagen. Ich bin hier bald weg, ein Jahr
max. Die N ew Y ork T imes schickt mich garantiert nach Bagdad. Gibt zwar noch
keinen direkten Kontakt, aber die melden sich, noch dies Jahr, garantiert. Auf
'ne Art ist das hier für mich 'ne coole Wartezeit - bis ich da bin, gehört der
Irak vielleicht zu den gescheiterten Staaten, würd sich echt geil machen in
meinem Lebenslauf.« Die Rechnung kommt.
»Wer übernimmt?«, fragt
Snyder, macht aber selbst keinerlei Anstalten.
Winston legt lahm seine
Kreditkarte hin.
»Ist echt nett von dir, Mann.
Ich würd's ja glatt selbst übernehmen, aber wenn du schon dabei bist.«
»Ich kann eigentlich gar
nichts übernehmen. Ich bin ja jetzt arbeitslos.«
»Du lieber Gott, ist ja noch
viel cooler, dass du dann zahlst.«
Auf dem Weg zu Winstons
Wohnung geht Snyder vor, schließt auf und wirft sich sofort bäuchlings aufs
Bett. »Snyder?«
»Hm?«
»Was
ist mit meinem Laptop?«
»Was
für 'n Laptop?«
»Der,
den du mitgenommen hast.«
»Wo
hattest du den denn zuletzt?«
»Du
hattest den zuletzt.«
»Glaub
ich nicht, Mann.«
Winston sitzt fast die ganze
Nacht hellwach auf dem Sessel und schmiedet Mordpläne für diesen alles an sich
reißenden Pavian. Aber die Gefahr, in einem Kairoer Knast zu landen, ist so
abschreckend, dass er sich lieber an die Planung all der beißenden Bemerkungen
macht, die er ihm morgen früh hinreiben wird.
Aber im Morgengrauen, als
Snyder aufsteht und in der Wohnung
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