Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
Vom Netzwerk:
und stieg ein paar Stufen hinunter. Unter meinen Schuhen knirschten Glassplitter.

    Mein Magen rebellierte, und ich schmeckte bittere Galle. Utley war eindeutig tot. Durch die Gitterstufen tropfte das Blut auf den Boden unter der Treppe. Warum blutete er bloß so stark? War er vielleicht in die Harpune gestürzt? Cherry Lopez, die unter dem Koloss eingeklemmt war, rührte sich nicht mehr. Sie sah aus, als wäre sie von einem Zementblock erschlagen worden.
    Meine Beine drohten, unter mir nachzugeben. Ich wandte mich zu Jesse um. »Alles in Ordnung?«
    Er spähte zu dem zerschmetterten Fenster hinauf. »Adam, kannst du mich hören?«
    Von irgendwo über uns ertönte eine Antwort. »Hier …«
    Ich rammte den Rollstuhl gegen die Wand und rannte mit wild klopfendem Herzen die Treppe hinauf.
    Jesse hievte sich verbissen weiter. »Wir kommen!«
    »Bleibt, wo ihr seid«, warnte Adam.
    Dann war ich oben angelangt. Adams Stimme war aus dem Raum mit dem zerbrochenen Fenster gedrungen. Ich drückte mich gegen die Wand und schob mich auf die Tür zu.
    »Jesse, nein!«, rief Adam von drinnen. »Mach, dass du verschwindest.«
    »Halt durch!«, erwiderte Jesse.
    Ich duckte mich so tief wie möglich. Falls Adam nicht allein war, würde mich die zweite Person auf Augenhöhe erwarten. Ich spähte um die Ecke.
    Der Raum war in einem Zwischengeschoss untergebracht, das die gesamte Seite des Gebäudes einnahm. Es roch nach Staub und Holz. Das durch die Fenster sickernde Licht beleuchtete ausrangierte Schreibtische und Bürostühle, die in einer Ecke gestapelt waren. Ich konnte weder Adam noch
sonst jemanden entdecken, der Utley durch das Fenster hätte schleudern können. Hinter mir kämpfte sich Jesse beharrlich Stufe für Stufe nach oben.
    Dann hörte ich ein Scharren. Mittlerweile hatten sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt, und ich erkannte Adam, der zusammengesunken mit dem Rücken an einem Schreibtisch auf dem Boden hockte. Er war verletzt.
    Was nun? Reingehen und wie Utley durch das Fenster fliegen? Ich wich zurück. Jesse war nur noch sechs oder sieben Stufen unter mir. Ihn würde nichts vom Betreten des Raumes abhalten, und wenn Adam ihn noch so oft zum Teufel schickte. Auf keinen Fall würde er Adam seinem Schicksal überlassen.
    Damals im Mission Canyon war Isaac für ihn unerreichbar gewesen. Nie wieder würde er sich mit so einer Situation abfinden. Selbst wenn es ihn das Leben kostete.
    Ich lehnte mich rücklings gegen die Wand. »Adam, bist du allein?«
    »Ich … ich bin …«
    »Adam, wo sind sie?«
    »Ich weiß nicht. Ich kann niemanden sehen.«
    Meine Synapsen feuerten blitzartig. Auf Händen und Knien schnellte ich durch die Tür und krabbelte zu ihm.
    Adam hob die Hand. »Nein, komm nicht näher.«
    Mich packte kaltes Entsetzen.
    Er saß gegen einen alten Holzschreibtisch gestützt, und unterhalb des Schlüsselbeins ragte das Ende eines Harpunenspeers hervor. Aus seiner Haltung schloss ich, dass sich die Spitze ins Holz gebohrt und ihn festgenagelt hatte. Sein Hemd hatte sich dunkel verfärbt: Blut schimmerte im Dämmerlicht. Ich stürzte zu ihm, wagte aber nicht, ihn anzufassen.

    In seinen Augen schimmerten Tränen. »Schau zu, dass du verschwindest. Das ist eine Falle.«
    Genau das hatte ich befürchtet. Adam war der Köder, mit dem Jesse in das Gebäude gelockt werden sollte.
    »Wie viele sind es?«
    »Vielleicht zwei oder drei.« Sein Kopf kippte unkontrolliert hin und her. »Sie haben mich entwaffnet, als ich durch die Tür kam. Ich war so dumm …«
    »Was ist mit Utley passiert? Hast du ihn aus dem Fenster geworfen?«, fragte ich. Keine Antwort. »Adam, du musst wach bleiben.«
    Er ließ den Kopf gegen den Schreibtisch sinken. Ich nahm seine Hand und drückte sie, damit er nicht merkte, welche Angst ich hatte. Vor Schmerz liefen ihm die Tränen über die Wangen.
    »Sie sind da draußen«, flüsterte er kaum vernehmlich.
    Draußen polterte Jesse die letzten Stufen hinauf. Als ich mich umdrehte, tauchte er gerade in der Tür auf. Das Entsetzen in seinem Gesicht war unbeschreiblich.
    Adam drückte meine Hand und hustete. Er war leichenblass. Der Speer musste ein Blutgefäß durchschlagen haben. Jeder kennt die alten Western, wo der Held einen Schuss in die Schulter locker wegsteckt. Blödsinn. Menschen sterben an Schulterverletzungen.
    Jesse arbeitete sich mühsam vor. »Adam …«, sagte er.
    Adams Hand war feucht und klamm. Er stand an der Schwelle zu einer anderen Welt. So deutlich hatte ich die Nähe

Weitere Kostenlose Bücher