Rachsucht
war klar, dass ich das Zeug am besten schnell herunterkippte, die Flasche vernichtete und mit dem Kopf gegen den Tisch schlug, bis ich das Gedächtnis verlor. Sonst würde ich nämlich für den Rest meiner Tage nur noch Dom Perignon trinken wollen, und das konnte ich mir definitiv nicht leisten.
»Fantastisch«, sagte ich.
Harley hob erneut das Glas. »Auf unkonventionelle Beziehungen!«
Ich ließ den Champagner auf meiner Zunge perlen, während ich überlegte, was ich darauf antworten sollte. »Wenn du den Altersunterschied meinst, der hat mir nie was ausgemacht.«
»Mir auch nicht. Wir haben eben beide eine Schwäche für die Jugend. Und für Leute, die was Besonderes sind.«
»Wie läuft’s bei dir denn so?«, fragte ich.
»Super. Könnte gar nicht besser sein. Nachts singen mich die Englein in den Schlaf.« Sie prostete mir zu und hielt plötzlich inne. »Oder meinst du vielleicht mein Liebesleben?«
»Gut erkannt.«
»Wie gehabt. Gequirlte Scheiße.« Sie kippte ihren Champagner herunter. »Cassie lässt mich an ihrem Leben teilhaben, soweit sie dazu in der Lage ist. Das muss ich akzeptieren. Wie sagt Jesse immer?«
»Das ist ein Fakt.«
»So ist es, Schwester.«
Ich kannte Cassie, Harleys Freundin, nicht. Ich wusste nur, was Harley mir erzählt hatte: Cassie war Tennisprofi und wollte sich nicht als Lesbe outen. So wie Harleys Augen leuchteten, wenn sie von ihr sprach, war sie bis über beide Ohren verliebt.
»Wo wir schon bei den Fakten sind: Wie kommt dein Kleiner damit klar, dass Brand plötzlich wieder da ist?«
»Er hat sich im Griff. Und mein Kleiner ist er auch nicht.«
Sie musterte mich einigermaßen ernüchtert. »Entschuldige, da hast du natürlich recht. Mit siebenundzwanzig ist er reifer als andere mit fünfzig. Sei mir nicht böse. Für mich bleiben meine Jurastudenten immer Kinder.«
Harley unterrichtete gelegentlich an der University of California Santa Barbara. Jesse hatte eines ihrer Seminare besucht, und wenn ich mich nicht irrte, hatte auch Cassie zu ihren Studenten gehört. Sie verdiente sich damit wohl Extrapunkte.
Harley goss sich gerade ein zweites Glas Champagner ein, als sich die Tür öffnete und Kenny Rudenski hereinrauschte. Er blieb in der Tür stehen, damit alle Gelegenheit hatten, ihn zu bewundern. Mit Motorradjacke, Kakihosen und schweren
Stiefeln hätte er direkt aus Gesprengte Ketten entsprungen sein können. Lächelnd schlenderte er auf unseren Tisch zu.
»Ms. Dawson.« Dann strahlte er mich an. »Gidget.«
Er drehte einen Stuhl mit der Lehne nach vorn und ließ sich rittlings darauf nieder. Dann legte er den Helm auf den Tisch wie eine Kriegstrophäe. Bringt mir den Kopf von Steve McQueen.
Er beugte sich zu mir. »Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich wusste ja nicht, dass Sie mit Jesse Blackburn liiert sind. Tut mir leid, wenn ich Ihnen Ärger bereitet habe.«
Ich starrte Harley an. Hatte sie dieses Treffen arrangiert? Sie konzentrierte sich auf ihr Champagnerglas.
»Danke«, erwiderte ich. »Aber entschuldigen Sie sich lieber bei Jesse.«
»Loyalität! Das gefällt mir.« Er rieb mit dem Daumen über ein Astloch im Holz der Tischplatte. »Auf jeden Fall bin ich über das Ziel hinausgeschossen.«
»Schon gut.«
Er bearbeitete mit dem Daumen das Holz.
»Eine alte Liebe von mir«, sagte er, als er merkte, wie ich den Helm musterte. »In meiner Jugend bin ich MotocrossRennen gefahren. Mögen Sie Motorräder?« Er deutete mit dem Kopf zum Fenster. »Meins steht draußen auf der Straße. Ich nehm Sie gern mit. Bei mir sind Sie sicher, da gibt es keine Unfälle.«
Ich glotzte ihn an. Hatte er das wirklich gerade gesagt?
»Nur interessehalber«, sagte ich. »Warum ist Franklin Brand zurückgekommen?«
»Vielleicht um seinen Namen reinzuwaschen? Kommen Sie, nur eine Runde um den Block. Sie haben doch bestimmt schon lange nicht mehr auf einem Motorrad gesessen.«
»Behaupten Sie immer noch, Brand ist unschuldig? Wer war es denn dann? Der Mossad?«
Harley blickte auf. »Antworten Sie nicht darauf, Mr. Rudenski.«
»Wieso denn nicht?«
»Genau, wieso denn nicht?«, echote ich.
»Evan ist juristische Journalistin. Daher kennt sie auch Ihren Vater. Sie hat ihn für einen Artikel interviewt.«
»Aber mich interviewt sie nicht. Wir plaudern nur«, wandte er ein.
Harley stellte ihr Glas ab. »Alle Pressekontakte haben über meine Kanzlei zu laufen. Das meine ich ernst.«
Er grinste. »Sie spielen gern den Macho, was, Dawson?«
Ihre Wangen
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