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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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Leidenschaft versuchte, uns die Wunder der Physik näherzubringen. Aber ich wusste, dass Jesse nicht an einen Zufall glaubte.
    Adam erklärte uns die Zeitdilatation anhand eines Schnapsglases und eines Salzstreuers. »Wenn sich die Beschleunigung der Lichtgeschwindigkeit annähert, vergeht die Zeit langsamer.« Er ließ das Schnapsglas wie ein Raumschiff in der Luft schweben. »Bei Lichtgeschwindigkeit bewegt man sich so schnell im Raum, dass keine Geschwindigkeit für die Bewegung durch die Zeit übrig bleibt.« Er schielte ein wenig. »Versteht ihr? Bei Lichtgeschwindigkeit verstreicht keine Zeit.«
    Er drehte das Glas so, dass es das Sonnenlicht reflektierte und auf Jesses Hand warf. »Das Licht altert nicht. Schau’s dir gut an, Jefe. Das ist der Widerschein der Ewigkeit.«
    Als wir schließlich aufbrachen, umarmte er mich und legte sich die Hand aufs Herz.
    »Vielleicht werde ich nun endlich den Stein in meiner Brust los.«
    »Das kann ich nur hoffen«, sagte ich.

    Jesse stemmte sich hoch und rückte seine Krücken zurecht. Er war einen Meter fünfundachtzig groß, und ich genoss es, ihn aufrecht stehen zu sehen. Als er sich an mich lehnte, kam ich mir vor wie im Film. Es schmerzte mich, dass diese Augenblicke so selten waren. Da wir Adam nicht mehr ans Steuer lassen durften, fuhr ich seinen Wagen zu ihm nach Hause. Von dort nahm Jesse mich mit zu sich. Im Auto fragte ich ihn nach Isaacs Notizen.
    »Ich habe sie selbst nicht zu Gesicht bekommen. Offenbar hat er ›Welche Aktien?‹ auf den Block gekritzelt und wollte prüfen lassen, ob auch wirklich alles an Mako geschickt worden war«, sagte Jesse.
    »Was hältst du davon?«
    »Mako hat als Business Angel in verschiedene Start-up-Unternehmen investiert. Cash gegen Aktien. Es macht den Eindruck, als hätte Mako die Aktienzertifikate von Firedog nicht finden können. Isaac wollte offenbar klären, wo sie geblieben waren.«
    »Denkst du das Gleiche wie ich?«
    »Dass das kein Zufall sein kann? Aber was dann?«
    Der Wagen brauste über die Straße. »Warum nennt Adam dich eigentlich Chef?«
    »Jefe? Wahrscheinlich, weil das so ähnlich klingt wie Jesse. Und ich war der Mannschaftskapitän.«
    Und außerdem sah Adam zu ihm auf. Das lag auf der Hand, aber Jesse sprach es nicht aus.
    Bei ihm zu Hause legte ich Musik auf, Marvin Gaye. Jesse schluckte ein Viagra, das für uns ein wahres Wundermittel war. Durch das Medikament war er wieder der Liebhaber geworden, den mir seine Wirbelsäulenverletzung genommen hatte.

    Wir gingen ins Schlafzimmer und schalteten die Lichter aus. Jesse wusste, was ich wollte, und gab es mir: Er stand am Fenster, und das kühle, weiße Mondlicht schien ihm ins Gesicht. Ich knöpfte sein Hemd auf, zog mir mein T-Shirt über den Kopf und schmiegte mich an seine glatte Haut. Er legte mir den Arm um den Rücken. Seine Augen waren dunkel, und er lächelte, als er sich über mich beugte und mich küsste. Es war ein langer, harter, altmodischer Kuss, der mein Herz rasen ließ. Ich spürte ein sehnsüchtiges Ziehen zwischen den Beinen.
    Er löste sich von mir. »Du siehst aus wie in unserer ersten Nacht.«
    »Nackt und mit Tequilafahne?«
    »Bezaubernd.«
    »Da war es dunkel«, gab ich zu bedenken.
    »Das war ein Kompliment, Delaney. Nimm es einfach an.«
    Ich küsste ihn erneut. Lange würde er das Gleichgewicht nicht mehr halten können.
    »Du warst atemberaubend«, sagte er. »Ich war dir rettungslos verfallen.«
    Eine sternklare Sommernacht in den Bergen, hoch über dem Lichtermeer der Stadt, ist immer ein unvergessliches Erlebnis. Ich genoss es gemeinsam mit einem Mann, nach dem ich verrückt war. Und dieses Gefühl beruhte tatsächlich auf Gegenseitigkeit.
    Ich fühlte mich wie ein Teenager, als ich mich damals mit Jesse von der Party wegschlich und mit ihm in die Berge fuhr. Wir hatten in jenem Sommer gemeinsam in einer örtlichen Kanzlei gearbeitet. Ich als Anwältin, und Jesse, der an der University of California in Los Angeles Jura studierte, hatte
dort einen Sommerjob gehabt. Als ich ihn fragte, warum er allein zu der Party gekommen war, wirkte er niedergeschlagen. Er zitierte ein paar Zeilen aus dem Song American Pie, die mich vermuten ließen, dass er einer verflossenen Studentenliebe nachtrauerte. Damit gewann er mein Herz natürlich erst recht.
    Wir waren ganz allein. Die Luft war erfüllt vom scharfen Duft des Chaparral, und die Sterne sanken immer tiefer, bis sie schließlich im Ozean untergingen. Der Wind strich kühl über meine

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