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Rachsucht

Titel: Rachsucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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gar nicht.«
    Es waren zwanglose Aufnahmen von Isaac am Strand, mit Mädchen im Bikini, und an seinem Arbeitsplatz in einer jungen Computerfirma. Die banalen Szenen strahlten vor sonniger Normalität. Kurz bevor das Licht für immer verlosch.
    »Tolle Bilder«, sagte ich, als ich sie zurückgab.
    Adam steckte sie sorgfältig in den Umschlag zurück. »Ich hab endlich angefangen, seine Sachen durchzugehen. Kartons, die seine Arbeitskollegen zusammengepackt hatten. Bisher hab ich das einfach nicht über mich gebracht.«
    Sein Gesicht verzerrte sich vor Schmerz.
    Jesse zog den Rollstuhl zu sich heran, stützte sich mit den Händen an der Sitzkante ab und stemmte sich hinein.
    »Erzähl ihr den Rest«, drängte er.
    Adam rieb sich die Stirn. »Ich bin da auf eine merkwürdige Sache gestoßen. Notizen von Isaac zu einem Problem in der Arbeit.«
    Isaac, wie sein Bruder ein begeisterter Sportler, hatte als Programmierer bei Firedog Inc., einer Firma für Internet-Firewalls,
gearbeitet. Nach seinem Tod war bei Firedog die Luft raus gewesen. Als der Markt zusammenbrach, verkaufte die Firma ihre Technologie an Kapitalanleger und machte dicht. Wenn ich mich recht erinnerte, war Mako Technologies einer der Anleger gewesen.
    »Unter Isaacs Sachen war ein Block mit der Telefonnummer von Mako und Notizen zu irgendeinem Problem. Sah ganz so aus, als hätte Mako ihm wegen fehlender Unterlagen im Nacken gesessen.«
    Im Hinterkopf hörte ich Harley Dawsons Stimme. Dieses elende Kaff! Jeder kannte jeden, jeder hatte irgendwie mit jedem zu tun, jeder suchte jedem eins auszuwischen.
    »Aber es scheint sich nicht um irgendwelche Unterlagen gehandelt zu haben, sondern …« Er schaute Jesse an.
    »Um wichtige Zertifikate«, ergänzte der.
    Ich drehte mich langsam zu ihm um. Er wirkte keineswegs überrascht, sondern sehr ernst.
    »Und um mir das zu erzählen, braucht ihr fünf Minuten?«, fragte ich.
    In diesem Augenblick klingelte es an der Tür. Es war die Polizei.
     
    Ich öffnete. »Hallo, Detective.«
    Chris Ramseur vom Santa Barbara Police Department wirkte überrascht. »Ms. Delaney! Lange nicht getroffen.«
    Er hatte ein Gesicht wie ein altgedienter Englischlehrer, nachdenklich und dennoch auf alles gefasst. Seine Krawatte und das Webstoffhemd waren etwas angeknittert. Ich bat ihn ins Haus.
    »Es gibt Neuigkeiten.« Er beäugte Jesse und Adam, die gerade durch die Terrassentür hereinkamen.

    »Detective«, sagte Jesse.
    Ramseur hielt den Blick konsequent auf Jesses Brust gerichtet, als müsse er zur Salzsäule erstarren wie Lots Frau beim Blick auf Gomorrha, wenn er Jesses Beine ansah.
    »Ich wollte es Ihnen persönlich sagen. Wir haben ihn.«
    Jesse machte den Eindruck, als würde ihm der Boden unter den Füßen weggezogen. Adam legte ihm die Hand auf die Schulter.
    »Brand wurde nach einer Prügelei vor Harry’s Plaza Café festgenommen. Sie werden es nicht glauben, aber er hat versucht, sich mit einem falschen Diplomatenpass von Britisch-Honduras aus der Affäre zu ziehen.«
    »Sie meinen Belize?«, fragte ich.
    »Genau«, bestätigte er. »Jeder kann sich diese alten Pässe online bestellen und damit auf Cocktailpartys angeben. Diplomatische Immunität verleihen sie einem allerdings nicht.«
    Jesse wirkte immer noch wie vor den Kopf geschlagen. Ich drückte seine Hand.
    »Sein Anwalt behauptet jetzt, die Beamten hätten ihn festgenommen, als er sich gerade stellen wollte«, sagte Ramseur. »Er faselt was von Verjährung und Grundrecht auf Freiheit der Person. Ach ja, und er ist natürlich unschuldig.«
    »Wann ist die Anklageerhebung?«, fragte Jesse.
    »Der Gerichtstermin ist morgen. Werden Sie es schaffen?«
    Diesmal wanderte Ramseurs Blick zu Jesses Beinen, suchte sich aber schnell wieder ein anderes Ziel.
    »Ob ich es schaffe?«, erwiderte Jesse. »Nichts kann mich aufhalten.«

    Wir fuhren zum Hafen und gingen ins Brophy Brothers, um zu feiern. Jesse nahm seine Grafitkrücken mit, damit er die Treppe zur Bar meistern konnte. Wir saßen auf dem Balkon und lauschten der Musik, während sich die Kellnerinnen zwischen den Tischen durch die Menge schoben. Im Hafen unter uns schaukelten Fischerboote auf dem Wasser, das sich in der Dämmerung lila verfärbt hatte. Hinter dem Wellenbrecher schimmerte silbrig der Ozean.
    Adam, der sonst kaum etwas trank, kippte einen Tequila nach dem anderen und hatte bald einen sitzen. Ich fragte ihn nicht mehr nach den fehlenden Dokumenten, weil er auf Wolke sieben zu schweben schien und voller

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