Rachsucht
finden. Die Anklageschrift wurde verlesen. Brand wurde der fahrlässigen Tötung, der Gefährdung des Straßenverkehrs in Verbindung mit schwerer Körperverletzung, der Fahrerflucht und der Flucht vor der Strafverfolgung beschuldigt.
»Wie bekennen Sie sich?«, fragte der Richter nach jedem Tatvorwurf.
»Nicht schuldig«, sagte Brand jedes Mal.
Ich warf einen Seitenblick auf Jesse. Er atmete kaum.
Der Staatsanwalt beantragte eine Kaution von fünfhunderttausend Dollar. Das war viel, das wusste selbst ich, obwohl ich keine Strafverteidigerin war, aber Adam beugte sich mit verzerrter Miene zu mir.
»Mehr nicht?«
O’Leary beantragte fünfzigtausend Dollar, was bei fahrlässiger Tötung im Straßenverkehr üblich war. Das wollte der Staatsanwalt nicht hinnehmen. Er verwies auf die zahlreichen Tatvorwürfe und die bestehende Fluchtgefahr. Der Richter hob die Hand.
»Das reicht. Die Kaution wird auf zweihundertfünfzigtausend Dollar festgesetzt.«
Das war alles. Die Anhörung ging weiter, aber wir waren fertig. Jesse wendete seinen Rollstuhl in Richtung Ausgang, und ich stand auf, um ihm zu folgen.
»Die lassen ihn davonkommen«, sagte Adam.
Er war aufgesprungen und hatte die Lehne der Bank vor uns gepackt. Der Richter sah auf.
»Zweihundertfünfzigtausend Dollar hindern so einen wie den bestimmt nicht daran, sich abzusetzen. Das ist eine Fehlentscheidung!«
Der Richter schlug mit dem Hammer auf den Tisch. »Ruhe im Gericht!«
»Was soll das? Zweihundertfünfzigtausend sind gar nichts. Der Mann ist Millionär!«
Der Richter ließ den Hammer herabsausen, und der Gerichtsdiener stapfte mit versteinerter Meine auf uns zu. Brand starrte eisern geradeaus und zupfte an seinen Fingernägeln.
»Komm jetzt, Adam«, drängte Jesse. »Das ist schon in Ordnung.«
Adam drehte sich mit weit aufgerissenem Mund zu ihm um. Nach einem endlosen Augenblick ließ er die Bank los und stürzte aus dem Saal.
Draußen im Gang holte Jesse ihn ein. Adam lief im Kreis
herum und hielt sich den Kopf. »Isaac …«, hörte ich ihn stöhnen.
»Ms. Delaney«, sagte Chris Ramseur. Er streckte mir eine Visitenkarte entgegen. »Das ist jemand von der Kriminalitätsopferhilfe. Dr. Sandoval sollte unbedingt dort anrufen. Reden Sie ihm gut zu.«
»Okay.«
»Das ist erst der Anfang eines langen Verfahrens, in dem es hart auf hart gehen wird. Da darf er nicht ausrasten.« Er warf einen Blick auf Jesse. »Was ist mit ihm? Er wird aussagen müssen.«
»Wegen Jesse machen Sie sich mal keine Sorgen«, sagte ich, aber ich stolperte über das Wort. Aussagen.
Adam gestikulierte wild, während seine Stimme durch den Gang hallte. Im nächsten Moment fielen die Reporter über ihn und Jesse her.
»Dr. Sandoval, was denken Sie über Brands Verhaftung?«
»Wie war es, dem mutmaßlichen Mörder Ihres Bruders gegenüberzustehen?«
Adam gefror zu Eis. Jesse wirbelte herum und rollte zwischen ihn und die Meute.
»Wird der Gerechtigkeit endlich Genüge getan?«
»Wollen Sie sich zu der heutigen Anhörung äußern?«
»Und ob ich mich äußern will«, sagte Jesse. »Eine Sekunde.«
Er sah mich an. Ich begriff, packte Adam am Ellbogen und bugsierte ihn die Treppe hinunter. Unten angekommen, schüttelte er mich ab und stürzte nach draußen, um frische Luft zu schnappen.
»Die lassen ihn laufen«, keuchte er. »Sie lassen den Dreckskerl laufen.«
Seine Hände zitterten, und das hatte nichts mit seinem Kater zu tun.
»Wie kann Jesse nur so ruhig bleiben? Er will sich äußern? Ich will mich nicht äußern, ich will Brand an die Wand stellen und ihn mit einem Zementlaster platt walzen.«
Er beugte sich vor und stützte die Hände auf die Knie, richtete sich aber gleich wieder auf, stürzte zu einem Mülleimer und erbrach sich.
Nach einem Augenblick wischte er sich den Mund mit einem Taschentuch ab. »Tut mir leid.«
Ich legte ihm die Hand auf den Rücken. Er war schweißnass.
»Können wir keinen Einspruch gegen den Kautionsbeschluss einlegen? Wenn Brand rauskommt, ist er weg.«
Die Panik in seiner Stimme machte mir die Entscheidung leicht. »Wir können ihn nicht im Gefängnis halten. Aber wir können ihm folgen, um zu gewährleisten, dass er nicht wieder untertaucht.«
Er schaute mich fragend an. Dann ging ihm ein Licht auf. »Ja, natürlich.« Erleichterung sprach aus seiner Stimme. »Aber Tag und Nacht? Wir müssen doch arbeiten und …« Er spähte auf seine Armbanduhr. »Verflixt, ich muss zur Uni, ich hab ein Seminar.«
»Geh ruhig. Ich
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