Rachsucht
Anmarsch.«
Auf der anderen Straßenseite fuhr ein schwarzer Porsche Carrera beim Gefängnis vor. Der Fahrer stieg aus. Ich war plötzlich hellwach. Kenny Rudenski.
»Ich habe gerade mit Mom gesprochen. Taylors Ehemann wird auf eine Ölplattform im Santa Barbara Channel versetzt.«
Rudenski strich sich das Haar glatt und verschwand im Gefängnis. Ich kletterte über den Schalthebel auf den Fahrersitz, was meiner Blase gar nicht gefiel. Dann steckte ich den Schlüssel ins Zündschloss und erstarrte.
»Moment mal. Soll das heißen, Taylor zieht um?«
»Du klingst ja schon wieder so pampig«, beschwerte sich Brian.
In diesem Augenblick trat Rudenski mit Franklin Brand aus dem Gefängnis. Ich ließ den Motor an. Selbst aus dieser Entfernung war zu erkennen, dass Brand nicht gerade fröhlich wirkte. Sein Gesicht war zu einer Maske erstarrt. Wortlos stieg er mit Rudenski in den Porsche.
»Ich ruf dich zurück, Brian.«
Der Porsche fuhr los. Ich wartete, bis ein silberner Mercedes-Geländewagen vorbei war, der mir Deckung gab, bevor ich mich in den Verkehr einreihte.
Der Porsche fuhr auf den Freeway in Richtung Westen. Als er die Ausfahrt nach Goleta nahm, folgte ich ihm, hielt mich jedoch hinter dem Mercedes. Die Ampel schaltete auf Rot, aber der Porsche bog unverdrossen in die Patterson Avenue ein. Da ich in beiden Fahrspuren Autos vor mir hatte, blieb mir nichts anderes übrig, als zu bremsen. Ich versuchte verzweifelt auszumachen, in welche Richtung Rudenski fuhr. Der silberne Mercedes wartete direkt neben mir in der rechten Spur. Und wie ich bemerkte, taten Fahrer und Beifahrerin genau dasselbe wie ich.
Sie starrten dem Porsche nach.
Die Beifahrerin war eine drahtige junge Frau mit kurz
geschorenem schwarzem Haar, die mich an einen Windhund erinnerte. Der Fahrer war ein übergewichtiger Mann, dessen bebrilltes Gesicht die Farbe von Pfannkuchenteig hatte. Unter dem Bärtchen schwabbelte ein kürbisartiges Doppelkinn. Die Frau reckte den Hals und deutete auf Rudenskis Auto. Daraufhin kurbelte der Fahrer am Lenkrad, manövrierte den Wagen um die Fahrzeuge vor ihm aufs Bankett und bog ebenfalls ab.
Die beiden verfolgten Rudenski. Für einen Augenblick trieb mich ein absurder Ehrgeiz, es ihnen nachzutun. Aber dann meldete sich die Vorsicht und befahl mir, den Fuß auf der Bremse zu lassen. Abwarten und die Situation im Auge behalten.
Als die Ampel grün wurde, bog ich in die Patterson Avenue ein. Weit vor mir fuhr der Porsche um eine Ecke und verschwand hinter einer Avocadopflanzung. Der Mercedes folgte ihm.
Ich raste an der Pflanzung, einer Feuerwehrstation und Neubausiedlungen vorbei, die auf einstigen Feldern aus dem Boden sprossen. An der nächsten Kreuzung verließ ich mich auf mein Glück und brauste geradeaus in ein Gewerbegebiet mit Geschäften, Motels und Restaurants. Keine Spur von Rudenski oder dem Mercedes. Allmählich geriet ich in Panik. Brand durfte mir nicht noch einmal durch die Lappen gehen.
Dann trat ich auf die Bremse. Unter dem Vordach eines Holiday Inn stand der Porsche. HUMMERBUFFET 9,99 DOLLAR UND WILLKOMMEN, FAMILIE GARCIA hieß es auf der Markise davor. Ich rollte auf den Parkplatz, stellte meinen Wagen ab und beobachtete den Porsche im Rückspiegel.
Brand stieg aus, knallte die Autotür zu und verschwand
in der Lobby. Der Porsche ließ den Motor aufheulen und brauste davon.
Ich wartete.
Kein Mercedes, der die Verfolgung des Porsches aufnahm. Auf dem Parkplatz befand er sich allerdings auch nicht. Keine Spur von der Frau mit dem Kurzhaarschnitt und dem Dicken.
Ich hatte gewonnen.
Ich staffierte mich mit Baseballkappe und Sonnengläsern aus und steuerte die Lobby an.
Als ich eintrat, stand Brand gerade mit dem Rücken zu mir an der Rezeption. Ich marschierte an ihm vorbei.
»Irgendwelche Nachrichten für mich?«
»Ihre Zimmernummer?«
»Hundertsiebenundzwanzig.«
Manchmal muss man eben Glück haben. Er war also Gast im Hotel und wartete auf Nachrichten. Ich schlenderte zu einem Drehständer mit Tourismusbroschüren, schnappte mir eine davon und notierte mir die Zimmernummer.
Schon nach ein paar Sekunden wurde mir klar, dass sich der Gang zur Toilette nicht mehr aufschieben ließ. Ich warf einen Blick über die Schulter. Brand stand noch an der Rezeption und las seine Nachrichten. Die Sanitärräume befanden sich in einem Gang zu meiner Linken. Ich überlegte. War dieser Stopp Teil eines raffinierten Fluchtplans? Vielleicht fuhr Kenny Rudenski nur um den Block und
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