Rachsucht
Dawson.
»Wenn du einen Rat haben willst«, sagte sie. »Vernichte grundsätzlich die Negative.«
»Das Bild ist eine Fälschung. Und sag bloß nichts zu der Tätowierung. Ich bin nicht in der Stimmung dafür.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Harley, die Leute, die das Foto manipuliert haben, stehen in Verbindung zu Brand und Mako.«
Am anderen Ende der Leitung herrschte Schweigen.
»Ich habe gute Gründe für meine Vermutung.«
»Brand und Mako. Wilde Anschuldigungen ohne Beweise, würde ich das nennen.«
»Hör mal, Harley …«
»Nein, du hörst mir jetzt mal zu. Ich habe mit George Rudenski gesprochen. Ich weiß, dass du bei Mako warst und alles Mögliche behauptet hast. Wenn es Brand erwischt, ist auch Kenny dran, sollst du gesagt haben.«
»Ich habe nur Brand zitiert.«
Jetzt klang Harley wirklich verärgert. »Solche Unterstellungen können dir jede Menge Ärger einbringen.«
»Warum? Ist Kenny gefährlich?«
»Lass den Schwachsinn. Das ist Verleumdung. Und ich bin Kenny Rudenskis Anwältin.«
»Es ist eine Warnung, Harley. Ich brauche deine Hilfe. Du weißt, dass mit Kenny irgendwas nicht stimmt. Er ist … nicht ganz richtig im Kopf. Und er war mit Franklin Brand befreundet. Jesse kann er nicht ausstehen. Angesichts dieser Sachlage kann man wohl kaum von voreiligen Schlüssen sprechen.«
Ihre Stimme klang müde. »Evan, lass es sein. Leg dich nicht mit Mako an. Das ist nicht gut für dich.«
»Warum?«
»Weil du dabei nur verlieren kannst. Das kannst du mir glauben.«
Jesse blieben noch fünfunddreißig Stunden. Was konnte ich tun? Im Augenblick brachte es nicht viel, mit der Polizei zu sprechen, weil deren Meinung schon feststand. Ich wünschte, Chris Ramseur wäre noch am Leben.
Ramseur war von Anfang an mit der Sache befasst gewesen und hatte bereits wegen der Fahrerflucht ermittelt. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und fing an, in der Kopie des Polizeiberichts zu blättern, die Jesse mir beschafft hatte. Wie immer hatte Ramseur kein Detail außer Acht gelassen. Hin und wieder hatte er sich auch eine bissige Bemerkung nicht verkneifen können.
Dann stieß ich auf eine Information, der ich bisher keine Beachtung geschenkt hatte. Es gab einen Zeugen.
Einen Installateur, der zwar nicht den Unfall selbst beobachtet hatte, aber seine Folgen. Er hatte nach einer Adresse in der Straße gesucht und war dabei auf Jesse und Isaac gestoßen. Kurz vor der Unfallstelle war Brands BMW bergab an ihm vorbeigerast.
Ich suchte nach Pyles Aussage. Er hatte nicht erkannt, welches Geschlecht der Fahrer gehabt hatte, und eventuelle Beifahrer hätte er erst recht nicht identifizieren können. Die Sache lag drei Jahre zurück. Lohnte es sich, seinem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen?
Ich fand die Nummer seiner Firma in den Gelben Seiten.
»Den Unfall habe ich doch x-mal mit der Polizei durchgekaut.« Seine Stimme klang feucht, als hätte er etwas Klebriges im Mund. »Wenn Sie mehr wissen wollen, zahlen Sie meine Arbeitszeit. Und die Anfahrt.«
Als er eintraf, war Nikki bei mir. Thea krabbelte auf dem Teppich herum und aß Krümel. Wir hatten Wetten über sein Äußeres abgeschlossen. Stoppelbart, Bierbauch und hängende Hose. Ich setzte darauf, dass wir die Ritze zu sehen bekommen würden.
»Sind Sie Ms. Delaney?«, fragte er.
Für einen Augenblick verschlug es mir die Sprache. Der Mann strotzte geradezu vor Kraft. Die Hemdsärmel spannten sich über seinen Muskeln. Sein Gesicht war frisch und rosig und duftete nach Aftershave. Nikki zog eine Augenbraue hoch und unterdrückte ein Lächeln.
»Die Spüle ist hier«, sagte ich.
Er schleppte seinen Werkzeugkasten in die Küche. Seine Oberschenkel waren wie Baumstämme. Er ging vor der Spüle in die Hocke und fuhr mit der Hand über das Abflussrohr.
»Fühlt sich trocken an.«
»Gut. Nun zu Franklin Brand.«
Er drehte den Oberkörper und warf mir über die Schulter einen Blick zu. Dabei rutschte sein blaues Hemd hoch und entblößte einen behaarten Lendenbereich.
»Ich hab darüber nachgedacht.«
»Freut mich. Ich will Sie was zu der Beifahrerin fragen.«
Er hielt einen Schraubenschlüssel in der Hand. Als er mit den Schultern zuckte, rutschte seine Jeans noch ein Stück tiefer. Nikki hinter mir wurde unruhig.
»Mein Arbeitslohn gilt nur für die Spüle. Meine Erinnerungen kosten extra.« Er erhob sich ächzend.
»Aha.« Ich runzelte die Stirn. »Was ist mit Ihrer Bürgerpflicht?«
»Die habe ich schon nach dem Unfall erfüllt
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