Rachsucht
dürfen? Das kann man wohl sagen. Klingt, als solltest du deine Anwälte besser im Griff haben.«
»Jetzt hör doch endlich auf, mich zu nerven! Ich kümmer mich ja darum.«
»Harley, stimmt irgendwas nicht?«
Sie lachte schrill. »Wo soll ich da anfangen?«
»Hat es was mit Kenny Rudenski zu tun?«
»Nein, es geht um Cassie.« Sie strich sich das Haar aus dem Gesicht. »Wir sind dabei, uns zu trennen.« Sie seufzte. »Mein Leben ist im Augenblick die Hölle. Aber keine Sorge, ich werde das mit Mrs. Diamond klären. Und ich rede mit Lavonne Marks. Heute Abend wird alles ganz professionell laufen. Keine Streitereien um die Aussteuer.«
»Wovon redest du?«
»Von deiner Brautparty.« Dann schloss sie die Augen. »Verflixt! Das ist eine Überraschung, was?«
»Jetzt nicht mehr.«
In vier Stunden lief das Ultimatum ab, und ich hatte nichts erreicht. Ich wusste nur, dass um mich herum Gefahren lauerten, von denen ich bisher keine Ahnung gehabt hatte. Jesse hatte ich jedenfalls kein bisschen helfen können. Schließlich fuhr ich zu ihm in die Kanzlei und erzählte ihm von der Begegnung des Ehepaars North-Rivera mit Cherry Lopez.
»Auftragskiller im Ruhestand. Was soll das heißen?«, fragte er. »Diese Leute spielen mit dir, Ev.«
»Du meinst, die Sache ist nur Show?«
»Der Ghostwriter-Job mit Sicherheit. Die beiden wollen bestimmt kein Buch schreiben lassen, das gegen die nationalen Sicherheitsgesetze Großbritanniens und der USA verstößt und sie als Auftragskiller entlarvt. Das ist Schwachsinn.«
Ich stopfte meine Hände in die hinteren Hosentaschen.
»Die beiden interessieren sich also nicht wegen deines gewandten Stils für dich.«
»Wie Betrüger kamen sie mir aber nicht vor. Ich glaube nicht, dass sie die Sache erfunden haben.«
»Ich auch nicht. Bleiben zwei Alternativen: Entweder die beiden haben heute Nachmittag wirklich einen Angriff auf dich verhindert, oder die Sache war gestellt, und die beiden stecken mit Cherry Lopez unter einer Decke.«
»Willst du mich völlig verwirren?«
»Du hast nicht gesehen, wie die Lopez ausgeschaltet und gefesselt wurde. Und du weißt nicht, was passiert ist, nachdem du die Toilette verlassen hast. Vielleicht hat North sie losgebunden, und die beiden haben gemeinsam die Duftseifen ausprobiert und sich über dich scheckig gelacht.«
»Warum sollten sie das tun?«
»Um dir Angst einzujagen und dich davon zu überzeugen, dass sie auf deiner Seite sind. Wer weiß? Das ist das Verzwickte bei diesen Psychospielchen.« Er fuhr sich mit der Hand durch das dunkle Haar. In der durchs Fenster hereinfallenden Sonne wirkte sein Gesicht plötzlich sehr müde. »Auf jeden Fall bedeutet es nichts Gutes. Von wegen Ruhestand. Die beiden sind noch im Geschäft.«
Mir war hundeelend zumute.
»Ruf nicht zurück«, riet er. »Vergiss diese Leute. Die bedeuten nur Ärger.«
Ich lehnte mich gegen das Fensterbrett. »Die Brautparty schenke ich mir. Ich bleibe hier, bis wir wissen, was Yago vorhat.«
»Kommt nicht infrage. Du wirst da hingehen und mir hinterher alles haarklein berichten.«
»Jesse, ich hab Angst.«
»Ich auch. Aber wir lassen uns nicht unterkriegen. Also ab nach Hause und umziehen.« Er tippte mit einem Bleistift
gegen mein Knie. »Am besten übst du schon mal, ein überraschtes Gesicht aufzusetzen.«
»Nicht nötig. Wenn meine Cousine etwas organisiert, ist die Überraschung garantiert.«
Ich hatte keine Ahnung, wie recht ich damit haben sollte.
21. Kapitel
Nikkis Tür stand offen. Drinnen sang Alicia Keyes »A Woman’s Worth«. Als ich ins Haus trat und mir die kunterbunten Ballons in der Abendsonne entgegenleuchteten, war ich froh, dass ich mich für das rote Kleid mit den goldenen Mohnblüten entschieden hatte. In der Küche hörte ich Stimmen.
Carl kam mit Thea auf dem Arm die Treppe herunter und gab mir einen Kuss auf die Wange. »Du siehst zauberhaft aus. Ich hatte keine Ahnung, mit was für einer Familie du geschlagen bist. Du verdienst echt einen Orden.«
»Was …«
Er verschwand schnurstracks nach draußen. »Wir fahren zum Golfplatz. Du schaffst das schon, du musst nur an dich glauben.« Thea winkte mir über seine Schulter zu.
»Nein, was schaust du entzückend aus«, säuselte Taylor, die selbst in blendendes Orange gewandet war. »Das ist doch gleich was ganz anderes.«
Sie packte mich am Handgelenk und schleppte mich ins Wohnzimmer, wo auf dem Tisch Fingerfood angerichtet war.
»Ich hatte Besuch vom FBI«, sagte sie.
Mir sank
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